Abschiebung in Armut und Chaos

Ab Juli sollen die in Köln lebenden Roma aus dem Kosovo abgeschoben werden. Hilfsorganisationen warnen vor der politisch instabilen Situation im Land

KÖLN taz ■ „Alle sind von Abschiebung bedroht. Jeden Tag.“ Mit diesen Worten fasste Iris Biesewinkel vom Rom e.V. gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit medica mondiale Köln und dem Flüchtlingsrat NRW die verschärfte Situation in Köln lebender Roma aus dem Kosovo zusammen.

Aktuellen Anlass zur Sorge gibt der Erlass des Innenministeriums NRW vom 24. Mai, wonach „ab sofort mit der Wiederaufnahme der Rückführungen“ von Flüchtlingen begonnen werden kann. Er beruht auf einer Vereinbarung zwischen einer Delegation der Bundes- und Länderinnenminister mit Vertretern der UN-Mission im Kosovo (UNMIK) von Ende April. Darin kommen beide Seiten überein, dass es hinsichtlich der Sicherheitslage keine Gründe mehr gegen eine „Weiterentwicklung des Rückführungsprozesses von Minderheiten“ gebe. Nach Einschätzung des Hohen Kommissars für Flüchtlinge (UNHCR) vom März kann jedoch im Kosovo ein „erneutes Umkippen der fragilen Sicherheitslage und der Ausbruch neuerlicher Gewalttätigkeiten für das Jahr 2005 nicht ausgeschlossen werden.“

Die „Gefälligkeitsaussage der UNMIK“ sei auf politischen Druck zustande gekommen, so Monika Hauser von der Hilfsorganisation medica mondiale. Angesichts einer je nach Region variierenden Arbeitslosigkeit von 50 bis 80 Prozent, einer weitgehend zerstörten Infrastruktur und schwelender ethnischer Konflikte müsse von einem Einknicken der UNMIK gesprochen werden. Die Situation der Roma-Frauen sei prekär, da diese zusätzlich häuslicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt seien.

Über den genauen Zeitpunkt der Abschiebungen lässt sich nichts sagen, da die UNMIK-Vorschriften es verbieten, Fluglisten, Termine und weitere Informationen an „rückzuführende Personen“, deren Anwälte und andere Dritte weiterzugeben.

Im Mai wurde bereits mit der bundesweiten Abschiebung von Ashkali und Ägyptern in den Kosovo begonnen. Zunächst wurden 300 Menschen zur so genannten „Rückführung“ gemeldet, ab Juli soll die Zahl monatlich auf 500 steigen. Ab 2006 gibt es keine Beschränkung.

Bei den Roma sollen ab Juli zunächst 20 Straftäter, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden, abgeschoben werden. Diese Zahl erhöht sich ab September auf 30. Dann soll über die Erweiterung des für die Abschiebung in Frage kommenden Personenkreises entschieden werden. Roma aus dem übrigen Ex-Jugoslawien sind davon schon lange betroffen: „Der Flug nach Belgrad geht alle 14 Tage“, so Biesewinkel. Daher sei unklar, wie viele der 2.500 im Dezember 2004 in Köln lebenden Roma sich noch hier aufhielten. VOLKER M. LEPRICH