Ganz normal krank

Schwarz-Grün in Altona lädt zur Diskussion über die Lage papierloser Flüchtlinge ein. Helfer fordern für die „Illegalen“ Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Schulen

Hamburger Ärzte und Flüchtlingshelfer haben auf die schlechte Gesundheit von Migranten hingewiesen, die ohne Papiere hier leben, und für sie Zugang zu ärztlicher Hilfe gefordert. „Es ist kein Zustand, dass Papierlose auf die Hilfe Ehrenamtlicher angewiesen sind“, kritisierte der Arzt Frank Hense von der Caritas bei einer Diskussion zum Thema „Verbesserung der Situation ,Illegaler‘“, zu der die Fraktionen von CDU und GAL im Bezirk Altona am Mittwochabend eingeladen hatten. „Diese Menschen sind ganz normal krank“, so Hense, „und brauchen angemessene medizinische Versorgung.“

In Hamburg leben schätzungsweise 100.000 Flüchtlinge ohne Papiere. Dies seien zumeist Menschen, so Anne Harms von der kirchlichen Beratungsstelle Fluchtpunkt, deren Asylanträge trotz schutzwürdiger Belange abgelehnt wurden. Illegalen Aufenthalt nähmen sie aus familiären oder gesundheitlichen Gründen in Kauf oder weil sie in der Heimat politisch verfolgt würden. Harms zufolge liegt es im Ermessen der Behörden, ob die Schutzwürdigkeit geprüft oder einfach abgeschoben werde. Die Hamburger Ausländerbehörde nutze den Spielraum aber nicht.

Jörg Alt vom Berliner Jesuiten-Flüchtlingsdienst ergänzte, das neue Zuwanderungsgesetz gestatte den Ländern, auch auf „Illegale“ die Härtefallregel anzuwenden, die ein Bleiberecht aus humanitären Gründen ermöglicht. „Mir ist aber leider kein Land bekannt, das den Paragrafen 23a auf ‚Illegale‘ anwendet.“

Aus Angst vor Entdeckung und existenzieller Not lebten die Untergetauchten „in dauerhaftem Stress“, so die Ärztin Gisela Walter, die in einer Beratungsstelle der Gesundheitsbehörde tätig ist. Die Folge seien körperliche und seelische Erkrankungen. „Das Leben dieser Menschen ist von Geldnot geprägt und von dem Bestreben, nicht aufzufallen“, sagte sie. Beschwerden würden so lange wie möglich verdrängt oder selbst behandelt. Kollege Hense warnte, weil Papierlose nicht versichert und mittellos seien, würden viele Kliniken und Ärzte sie abweisen. Damit sie „sicher und angstfrei“ Hilfe erhielten, müsse der Staat die Behandlungskosten tragen, verlangte Walter. Alt schlug dafür einen Fonds vor.

Sorge macht den Helfer nicht nur die Gesundheitsversorgung. Besonders schwer sei die Lage der papierlosen Kinder, von denen viele nicht zu Schule gingen, berichtete Dragica Brügel vom Jugendamt Altona. In Hamburg seien auch die „illegalen“ Kinder schulpflichtig. Deren Eltern wagten die Einschulung aber nicht, weil dafür eine Meldebescheinigung und so die Adresse vorzulegen sei. „Einschulung bedeutet Entdeckung“, so Brügel, „die Meldepflicht muss abgeschafft werden.“ Die Sorge von Pädagogen, sie hätten „Illegale“ zu melden, räumte sie aus: „Lehrer sind zur Benachrichtigung der Behörde nicht verpflichtet.“ EVA WEIKERT