Ein unüberhörbares Basta

Knapp 20.000 Menschen zogen für gebührenfreie Bildung vor das Rathaus. Ihr Zorn galt auch der jüngsten Tal-der-Tränen-Rede von Bürgermeister Ole von Beust. GEW: „Wir haben mit dem Thema Bildung den Wahlkampf eröffnet“

Von Kaija Kutter

„Kitap icin para yok!“, steht auf Celins Plakat. „Für Bücher geben wir kein Geld“, übersetzt die Elfjährige, die mit ihren Klassenkameraden aus Wilhelmsburg zur Bildungsdemo angereist ist, ihren Text. „Viele haben nicht so viel Geld“, sagt sie. „Die können nicht 80 Euro zahlen.“

Es ist viertel vor Eins am Mittag. Noch steht nur ein Häuflein in der prallen Sonne auf dem Hachmann-Platz, doch minütlich kommen weitere Schüler aus Hamburgs Osten mit der Bahn am Treffpunkt an, der nur „einer von vieren ist“, wie der Mann im Lautsprecherwagen ermutigt. Relativ zügig setzt sich der Trupp in Bewegung – vorneweg ein Schülerkammer-Transparent für gebührenfreie Bildung, hintenan die Kitas aus St. Georg – und füllt von Saturn bis zur Petri-Kirche die Mönckebergstraße aus.

„Wir werden die Zehntausender-Marke knacken“, spricht GEW-Frau Ilona Wilhelm vom Podium am Rathaus den Ankömmlingen Mut zu. 5.000 seien vom Hauptbahnhof gekommen und 3.000 vom Berliner Tor. Unterwegs sei eine noch unbekannte Zahl von der Feldstraße, 2.000 von den Landungsbrücken und „nicht einer, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, sondern 5.000 von der Uni“. Jubel auf dem Platz.

„Mir ist es hier zu voll“, nölt ein Student. „Ich geh nach Hause.“ Er und seine Kommilitonen durften erstmals seit Monaten ohne bedrohliche Polizeieskorte demonstrieren. Hier, wo es auch um Kinder geht, bestimmten sogar luftig in Radlershorts gekleidete Biker-Polizisten das Bild.

Der Student verpasst die kämpferische Rede von AStA-Sprecher Florian Wilde gegen Studiengebühren und die bei einem CDU-Sieg im Bund drohende Bafög-Abschaffung, die „im Kontext“ von Büchergeld und Sozialabbau zu sehen seien. Wolle man von der CDU eine andere Bildungspolitik, brauche es Aktionen, „die ihnen wirklich wehtun“, mahnte Wilde. Ganz toll sei deshalb der Aufruf der Elternräte, das Büchergeld zu boykottieren. Man müsse, so Wilde, der „neoliberalen Offensive“ ein unüberhörbares „Basta“ entgegenschreien! Nach Wilde ergreift ein Ordner das Mikro. „Da oben sitzt der Bürgermeister“, zeigt er aufs Rathaus, „und der ist?“ „Scheiße!“, brüllt die Masse.

Nicht gut weg kam Ole von Beust (CDU) auch in der Rede von Betriebsrätin Marina Gerstmann, die von einem Drittel Personalabau in den Kitas berichtet: „Wenn von Beust sich hinstellt und sagt, wir müssen durch ein Tal der Tränen gehen, kommen mir nicht nur die Tränen, sondern das Kotzen“, empört sich Gerstmann. „Wie viel Selbstherrlichkeit muss ein Mensch besitzen, wie viel Ignoranz gegenüber dieser Stadt zeigen? Merkt der nicht, dass wir fast ersaufen?“

Es folgen noch viele Bildungsreden und schließlich ein trauriges Lied, gesungen von vier Mädchen der Gesamtschule Steilshoop, deren Ende am Vorabend in der Bildungsdeputation von der CDU beschlossen wurde. Als es dort um die Frage gegangen war, wer nach draußen geht, um das Aus den dort wartenden Elternvertretern mitzuteilen, blieben Behördespitze und Regierungsfraktion bleiern sitzen – bis ein GALier die Sache übernahm.

Eilfertig pressemitteilte CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann den gestrigen Demo-Erfolg klein: Nur „etwas über Zehntausend“ seien dem Aufruf gefolgt, das zeige, dass die Mehrheit der Hamburger die Notwendigkeit der Reformen „verstanden“ habe. „Es waren knapp 20.000. Der Druck auf die CDU, ihre Bildungspolitik zu ändern, wächst“, hält Ilona Wilhelm dagegen. Schließlich habe die GEW jetzt mit dem Thema Bildung den Wahlkampf eröffnet.