Eberswalde im grünen Bereich

In der Fachhochschule Eberswalde stehen alle Zeichen auf Nachhaltigkeit. Das loben sogar Bundespolitiker. In diesen Tagen feiert die Stadt ihre 175-jährige Tradition von Forschung und Lehre

VON UWE RADA

Dass Renate Künast an der Fachhochschule Eberswalde kein seltener Gast ist, weiß man inzwischen in der brandenburgischen Kreisstadt nordöstlich von Berlin. Schließlich ist die Bundesverbraucherschutzministerin Schirmherrin des erst vor kurzem eingerichteten Studiengangs „Ökologischer Landbau“.

Dass die grüne Spitzenpolitikerin die „kleine, aber feine FH“ mit den Fachbereichen Forstwirtschaft, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik und Betriebswirtschaft aber an der Spitze der ökologischen Bewegung sieht, hat die 40 Professoren und 1.500 Studenten doch überrascht. „Hier in Eberswalde“, sagte Künast anlässlich eines Festakts der Fachhochschule, „bedeutet das geflügelte Wort ‚Ich glaub, ich steh im Wald‘ nicht mehr Rückständigkeit, sondern es bedeutet Zukunft.“

Diese ministerlich geadelte Zukunft von Eberswalde hat unmittelbar mit der Vergangenheit zu tun. Vor 175 Jahren hat der Berliner Forstwissenschaftler Wilhelm Pfeil die „Höhere Forstlehranstalt“ von Berlin nach Eberswalde verlegt. Für Renate Künast war das das erste Bekenntnis zur Nachhaltigkeit in Deutschland. Denn die Standortentscheidung war auch eine Reaktion auf die zunehmende Abholzung der Wälder in Brandenburg. „In Eberswalde“, so die Ministerin, „wollte sich Pfeil dafür einsetzen, aus den Wäldern nicht mehr herauszuholen, als in ihnen wieder nachwächst.“ Nicht der schlechteste Grund also, „175 Jahre Lehre und Forschung in Eberswalde“ feierlich zu begehen. Eberswalde, so die Botschaft von Künast, liegt im grünen Bereich.

Wilhelm-Günther Vahrson, der Präsident der Fachhochschule, wollte es beim grünen Ministerinnenlob nicht belassen. Bei der Bestimmung der Zukunft von Forschung und Lehre durfte auch die SPD nicht fehlen, zumindest nicht jene Sozialdemokratie, die sich die großen Fragen der Gesellschaft noch stellt und nicht müde wird, für die richtigen Antworten zu streiten.

Also hat Vahrson die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer und Ernst Ulrich von Weizsäcker an die Finow eingeladen, auf dass sie die Eberswalder Agenda einordnen ins globalisierte Weltgeschehen. Zumindest Hermann Scheer hat sich das auch nicht nehmen lassen. In einem pathosgeladenen Parforceritt durch die Geschichte der Land- und Forstwirtschaft, der Industrialisierung und der Globalisierung plädierte der Träger des alternativen Nobelpreises für die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Energiepolitik.

„In nur 200 Jahren Industriegeschichte haben wir die Ressourcen schneller aufgebraucht, als wir es uns je haben träumen lassen“, mahnte Scheer. Das gelte vor allem für die fossilen Brennstoffe und ihre ökologischen Folgen. „Das ökologische Ende der fossilen Energie liegt noch vor ihrem physikalischen Ende, also ihrer Erschöpflichkeit.“ Ein Paradigmenwechsel könne deshalb nur die Förderung unerschöpflicher Energiequellen, also erneuerbarer Energien bedeuten.

Das war, natürlich, auch eine Warnung vor einer energiepolitischen Wende. In Eberswalde, der Stadt im Grünen, hätte es einer solchen freilich nicht bedurft. Wohl kaum ein Studiengang an der FH, der nicht der Nachhaltigkeit und der Suche nach Ressourcen sparendem Wirtschaften verpflichtet wäre. Der neue Studiengang Ökologischer Landbau ist der erste seiner Art in Brandenburg. Gleiches gilt für die Bachelor-Studiengänge „Nachhaltiger Tourismus“ und „International Forest Ecosystem Information Technology“.

Das freut nicht nur Hermann Scheer, sondern auch die brandenburgische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU). Darüber hinaus habe es seit der Wiedergründung der Fachhochschule 16 Ausgründungen gegeben. Soll heißen: Lehre und Forschung kosten nicht nur Geld, sie schaffen auch Arbeitsplätze. Und neue Kooperationen: Inzwischen arbeitet die FH auch an der Erforschung für die industrielle Nutzung von Biodiesel – zusammen mit dem energiepolitischen „Gegner“, dem Petrochemischen Kombinat in Schwedt.

Johanna Wanka war es auch, die Wilhelm-Günther Vahrson versprach, sich über die weitere Förderung des Hochschulstandorts keine Sorgen machen zu müssen. Schließlich gehöre die FH in Eberswalde zweifellos zu jenen „Leuchttürmen“, auf die man sich in Brandenburg künftig konzentrieren wolle. Vahrson, der ökologische Überzeugungstäter in der Nachfolge eines Wilhelm Pfeil, hörte es mit Freude. „Unsere Aufgabe hier in Eberswalde“, setzte er unter dem Beifall der Festgäste hinzu, „ist es aber nicht nur, uns um die Leuchttürme zu kümmern, sondern auch die Landschaften zwischen den Leuchttürmen.“

Einer, an den diese Worte gerichtet gewesen sein könnten, war nicht unter den Anwesenden, sondern hatte kurzfristig abgesagt: der erste Umweltminister und heutige Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck.