Lichte Momente

Nach dem 4:1 gegen Finnland stehen die deutschen Fußballerinnen im Finale der Europameisterschaft

PRESTON taz ■ Wer die bescheidene Fußballlehrerin Tina Theune-Meyer kennt, wird es nicht für möglich halten, aber: Die Pfarrerstochter an der Spitze der deutschen Frauen-Nationalmannschaft wird langsam unverschämt. Nachdem es bei der EM in England mit jedem Spieltag mehr danach aussieht, als müsse für die DFB-Auswahl ein separater Wettbewerb angeboten werden, hat sich die Bundestrainerin auf dem Weg zur Titelverteidigung längst neue Zusatzziele gesetzt. Und eines davon gerade verfehlt.

Das lag daran, dass es die Finninnen bei ihrer 1:4-Abfuhr im Halbfinale wagten, gegen die Weltmeisterinnen ein Tor zu erzielen. Es war der erste Gegentreffer für die DFB-Auswahl im Turnier, und Theune-Meyer grummelte nachher: „Ärgerlich ist das Tor, das die Finninnen gemacht haben.“ Eigentlich wollte sie die neue EM-Trophäe am Sonntag gegentorfrei einpacken.

Den alten Pokal haben Deutschlands Fußballerinnen nach ihrem Titel-Hattrick bei der letzten EM vor vier Jahren schon für immer im Land behalten. Und jetzt sieht es aus, als würden die Frauen, die seitdem immerhin Spielerinnen wie Doris Fitschen, Maren Meinert und Bettina Wiegmann ersetzen mussten, auch weiterhin auf ihrem Abonnement auf EM-Siege beharren.

Dabei war Halbfinalgegner Finnland nicht einmal mit überzogenen Erwartungen in das Duell gegangen. Ein bisschen gehofft haben sie schon auf eine weitere Sensation ihrerseits – allerdings nur sehr kurz. Keine Viertelstunde war vorüber, da führte Deutschland nach großem finnischem Abwehrchaos und zwei Toren durch Inka Grings sowie einem durch Conny Pohlers schon mit 3:0. „Das Spiel war vorüber“, schluckte Finnen-Coach Michael Käld auf seiner weißen Trainerbank und verkündete später: „Über die anderen 75 Minuten haben wir ein 1:1-Unentschieden gegen Deutschland geschafft.“ Und er meinte das keineswegs ironisch.

Zu Scherzen waren Käld und seine Spielerinnen nach ihrer Begegnung mit den „Maschinen“ (Verteidigerin Evelina Sarapää) aus Germanien ohnehin nicht aufgelegt. Rekordnationalspielerin Anne Mäkinen zum Beispiel starrte regungslos auf die nächstbeste Wand, als sei ihr soeben der Leibhaftige begegnet. „Es ist hart, gegen die Deutschen zu spielen. Jede Einzelne von ihnen könnte im All-Star-Team stehen“, sagte die Frau, dachte einen Moment lang nach und ergänzte dann: „Manchmal ist es, als würde man gegen Männer spielen.“ Trainer Käld sieht das ähnlich. „Jede von ihnen kann den Ball 70 Meter weit schlagen.“

Seltsam ist bei all dem allerdings, dass die Frauen, die alle 70 Meter weit schießen können, über das, was sie da in England so abliefern, eher weniger erbaut sind. Und nach jedem deutlichen Sieg wundern sie sich mehr, warum sie schon wieder so wenig Probleme bekommen haben. Die Duisburgerin Grings konnte am Mittwochabend sogar die „starke und ausgeglichene Bundesliga“ als Grund für die Überlegenheit anführen, jene Liga, in der der deutsche Meister 1. FFC Frankfurt kürzlich erklärt hat, den Titel einmal ohne Punktverlust holen zu wollen.

Weil Tina Theune-Meyer in Wirklichkeit aber ja gar kein unverschämter, sondern ein sehr höflicher Mensch ist, hat sie die Finninnen nach ihrem Tadel für das Gegentor auch noch feste gelobt. „Nicht gemauert“ hätten die Fußballerinnen aus Skandinavien, applaudierte die 51-Jährige. „Die haben sich nicht hinten reingestellt, sondern wollten ins Finale. Das hat mir imponiert.“ So weit wollte Birgit Prinz, die Schützin des vierten deutschen Treffers, dann aber doch nicht gehen. Denn die Weltfußballerin ist mit sich und ihren Kolleginnen beschäftigt. „Ab und zu“, findet die Stürmerin aus Frankfurt, „haben wir lichte Momente.“ Mehr nicht. „Es läuft nicht so rund bei uns, wir haben immer noch Probleme, in das Turnier reinzukommen.“

Die anderen Mannschaften werden sich für solche Sätze bedanken: Am Sonntag ist das Turnier vorbei, die Deutschen stehen im Finale, und ihr Auftritt in England wirkt dabei wie ein Betriebsausflug vor seiner Abschlussfeier. Und an wem liegt diese erstaunliche Leichtigkeit des Fußballerinnendaseins nun? „Im Prinzip“, murmelt Birgit Prinz, „muss man sagen: Es liegt am Gegner.“ ANDREAS MORBACH