Die reine Sucht

Vom kühlen Glanz des Casinos zum schummrigen Elend der Automatenhallen ist es nur ein kleiner Sprung. Als „Die Spielerin“ verjubelt Hannelore Elsner ihr ganzes Vermögen (20.40 Uhr, Arte)

VON CHRISTIAN BUSS

Travemünde ist nicht Las Vegas, aber für Spieler erfüllt die Stadt ihren Zweck. Polina (Hannelore Elsner), die frisch erblühte Zockerin in mittleren Jahren, wird nachts von Friedrich (Erwin Steinhauer), dem sternengläubigen Gelegenheitsspieler, aus Hamburg ins Ostseebad gelotst. Am Roulettetisch in Hamburg hat Polina eine gute Serie, das Glück aber darf nach Meinung ihres Begleiters nicht an einem Ort überstrapaziert werden. Deshalb der spontane Trip nach Travemünde, das in seiner verwitterten Eleganz durchaus zu dem Spielerpärchen passt.

Hin geht es im Taxi, zurück im Bummelzug. Luxus und Besitz sind für den Zocker relativ, nur als Einsatz entwickeln sie eine echte Relevanz. Als Friedrich, der bankrotte Anwalt, die gut betucht aus ihrer letzten Scheidung herausgegangene Polina zum ersten Mal zu Hause besucht, schätzt er sogleich den Wert der Gemälde an den Wänden. Die setzt die Mittfünfzigerin denn auch als Erstes in Bargeld um. Der Rest des Hausstands folgt, als die Spielsucht fortschreitet. Am Ende klaut Polina Handtaschen, deren Inhalt sie unverzüglich am Spieltisch verjubelt, und haust in einem Loch am Hafen.

„Die Spielerin“ ist kein fesselndes Psychogramm, dafür bleibt die von Elsner als kettenrauchendes Wrack verkörperte Heldin zu sehr Behauptung. Doch recht anschaulich wird hier die Relativierung alles Materiellen in Szene gesetzt. Vom kühlen Glanz des Casinos zum schummrigen Elend der Automatenhallen ist es nur ein kleiner Sprung.

Regisseur Erhard Riedlsperger zeigt angenehm altmodisch den Mechanismus aus Suggestion und Autosuggestion, der so lange wirkt, bis der schöne Schein bröckelt, um den Blick auf die reine Sucht freizugeben. Die Abenteurerin wird von unten durch den Roulettetisch gefilmt und in den Deckenverzierungen der Spielhallen gespiegelt. Autor Fred Breinersdorfer hat das Drehbuch nach Motiven von Dostojewskis „Spieler“ verfasst; einige Dialoge wirken verstaubt, andere gespreizt. Hamburg anno 2005 ist hier ein bisschen wie Bad Homburg Mitte des 19. Jahrhunderts, wo der Russe sich zu seinem Roman inspirieren lassen haben soll. Das antike Flair passt allerdings in gewisser Weise gut zu einem Kosmos, wo Betrug und Selbstbetrug in eleganter Vollendung betrieben werden. Vornehm geht die Welt zugrunde.