Privates Waffenarsenal entdeckt

Chiles Polizei findet in der Colonia Dignidad Raketenwerfer, Gewehre und Minen

PORTO ALEGRE taz ■ Die chilenische Polizei hat in der Sektensiedlung Colonia Dignidad ein großes Waffenarsenal entdeckt. Vorgestern wurden an zwei Stellen des Landguts von Sektenführer Paul Schäfer Raketenwerfer, Sturmgewehre und Minen ausländischer Bauart sichergestellt. Einige der jetzt gefundenen Granaten und Maschinenpistolen sind offenbar auf dem Gelände selbst hergestellt worden. Die Waffen seien zwischen 20 und 30 Jahre alt, sagte ein Ermittler, man rechne mit weiteren Funden.

Nach Einschätzung von Jorge Correa, Staatssekretär im Innenministerium, handelt es sich um das umfangreichste private Waffenlager, das je in Chile entdeckt wurde. Die Colonia Dignidad sei nicht nur wegen „sexueller und ökonomischer Vergehen“ eine kriminelle Vereinigung gewesen, sondern auch wegen ihrer „paramilitärischen Ziele“, so Correa. Schäfer wird unter anderem Kindesmissbrauch und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Seit der Verhaftung des 83-jährigen Sektenführers im März hatten die Behörden ihre Untersuchungen über die Menschenrechtsverletzungen in der berüchtigten deutsch-chilenischen Siedlung verstärkt. Auf die Spur des Waffenlagers kamen sie durch Zeugen, die von Waffenproduktion in der Eklave berichteten. Allein im Mai wurden 50 Kolonisten vernommen. Über die Herkunft der Waffen wollen Schäfers enge Vertraute Gerhard Mücke, Hartmut Hopp und Karl van der Berg nichts Näheres wissen.

Dass die Siedlung während der Militärdiktatur (1973–1990) als Folterzentrum für politische Gefangene diente, ist seit Jahren bekannt. Laut der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international (ai) wurden dort mindestens 119 Oppositionelle festgehalten. Zudem gab es offenbar Experimente mit biologischen Waffen. Untersuchungsrichter Jorge Zepeda sieht die enge Zusammenarbeit der Siedlungsspitze mit dem Geheimdienst Dina von Diktator Augusto Pinochet als erwiesen an. Zuletzt wurde Teile von Autos ausgegraben, die „Verschwundenen“ gehört haben sollen. Jetzt sind Exhumierungen geplant.

Schäfer war am 10. März nach neunjähriger Flucht in Argentinien verhaftet und Tage später nach Chile abgeschoben worden. Schäfer, gegen den auch in Deutschland und Frankreich ein Haftbefehl vorliegt, hatte die sektenartige Siedlung von der Größe des Stadtstaats Bremen 1961 in Südchile gegründet. Später wurde sie in Villa Baviera umbenannt. Dort wohnen derzeit noch rund 280 Kolonisten.

GERHARD DILGER