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kritisch gesehen: „yaras hochzeit“ im staatstheater hannoverWunderbar multilinguales Beinahe-Musical

Traumblau ist die Bühne illuminiert, mit der Behauptung, die erste Szene spiele am 11. September 2011, setzt ein Beat ein, der die Tänzer/Sänger/Schauspieler kaum mehr loslässt. Als Darsteller von Jugendlichen tanzen sie exzessiv Party-Spaß und artikulieren sich mit Texten des Autorenkollektivs Antigone Akgün, Rasit Elibol, Mohamedou Ould Slahi und Rik van den Bos so wunderbar multilingual, wie der Alltag heute ist. Aber es wird der letzte Tag ihres unschuldigen Daseins in einem solidarischen Wohnprojekt sein.

Der 15-jährige Tony wird beim Betatschen eines Mädchens zurückgewiesen, zündelt bockig, ein Haus brennt ab. Polizisten versuchen nicht den schweigenden Zündler zu verhören, sondern greifen sich den arabisch-stämmigen Vater eines Kindes und beginnen ihn mit Gummiknüppeln zu schlagen. Klarer Fall von Racial Profiling.

Klarer Fall

Ergänzend erklärt eine Tante den Kids, „am 11. September erinnern wir uns alle noch mal ganz kurz daran, wie gefährlich die Araber im Grunde sind“. Menschen mit arabischen Wurzeln würden in Europa konsequent dämonisiert. „Und das kommt nicht nur von rechts-außen!“

Damit ist Guy Weizmans Performance „Yaras Hochzeit“ in den aktuellen Debatten um Alltagsrassismus angekommen. Die Beteiligten dieser Koproduktion des Staatstheaters Hannover und NITE Groningen haben sich mit Edward Saids „Orientalismus“ beschäftigt. Der Literaturwissenschaftler beschreibt damit eine ritualisierte Feindseligkeit der westlichen Wissenschaft gegenüber der islamischen Kultur. Diesen Prozess heute zu analysieren, versucht der zweite Teil der Aufführung. Zwei aus der einstigen Jugendclique heiraten und laden alle ein. Sie sind nun etwas dicker, bebrillter, bekopftuchter und gegelter. Die Begrüßungen geraten unsicher, Umarmungen misslingen. In allzu beispielhaften Szenen werden Tokenismus, Klassismus, Marginalisierung und weitere Formen der Ausgrenzung vorgestellt.

Anrührende Botschaft

Mit zunehmender Trunkenheit wird das Witzniveau immer peinlicher und die Atmosphäre ungemütlicher angesichts lange unter den Tisch gekehrter, nun herausgelallter Ressentiments. Zum ständig lauernden Rassismus-Vorwurf gibt es den Einwand: „Es geht nicht immer nur um die Hautfarbe.“

Der Abend ist als „Beinah-Musical“ angekündigt. Das Publikum wird (sehr erfolgreich) zum Mitklatschen aufgefordert und mit Song-Darbietungen in Post-Dark-Wave-Pop-Klanggewändern bedient. Darunter leidet aber die Entwicklung, Ausdifferenzierung und Präsenz der einzelnen Figuren.

Nachdem Wunden und Gräben aufgerissen sind, behauptet die Inszenierung musicalwillig ein Happy End und traumblau die Verheißung, zum Wohlfühl-Versuch des Anfangs zurückzukehren. Das utopische Potenzial dieser Botschaft ist natürlich anrührend. Entsprechend reagiert das Publikum mit Standing Ovations. Jens Fischer

Yaras Hochzeit, Fr, 10. 3., 22./23. 3., 19.30 Uhr, Staatstheater Hannover

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