: Der Geschmack der Wüste
REBEN Das Land im Negev ist sandig und grenzt an Stacheldraht. Es regnet an sieben Tagen im Jahr. Trotzdem keltern hier israelische Winzer Wein
VON SIMON HUFEISEN
Eyal Izrael hat die Wüste umgegraben. Vierzehn Jahre ist es her, dass er auf dieses staubige Tal in der Negev-Wüste stieß. Auf dem Hügelkamm fand er 1.500 Jahre alte Ruinen, im Tal genügend Platz für seine Träume.
Eyal Izrael, 53 Jahre, ist Weinbauer, einer der ersten, der in die Wüste zog, um aus dem kargen Boden im Süden Israels edle Tropfen zu pressen. Nichts als Geröll sei hier gewesen, als er kam. Und noch mal würde er das nicht machen, sagt er, Stück für Stück die hügelige Landschaft mit Weinreben zu bepflanzen.
Mit seiner Frau gründete er die „Carmey Avdat“, eine von acht Weinfarmen entlang der „Wine Route“ im Negev. Hier, an der ehemaligen Gewürzstraße, wo es wenig gibt außer Sand, siedelten israelische Behörden damals Winzer an.
Es ist wahnwitzig, mitten in einem der trockensten Landstriche der Erde ein Getränk herzustellen, das besonders viel Wasser benötigt. Zwar befand David Ben-Gurion, Staatsgründer Israels, man müsse die Wüste im Negev, urbar machen, da sie zwei Drittel der Fläche Israels bedeckt. Die Politik nutzt diesen Leitsatz aber für ihre Zwecke: Israelische Winzer werden gefördert, arabische Beduinen nicht. Sie werden von ihrem Land vertrieben.
Eyal Izrael, Stoppelfrisur, Trekkingstiefel, hat jedenfalls auf Ben-Gurion gehört. Wenn er ein leckendes Rohr entdeckt, springt er auf, zieht sein Allzweckwerkzeug aus dem Gürtelhalfter und dichtet die Stelle ab.
Ein Teil seines Bewässerungssystems stammt noch von den Nabatäern. Zur Bewässerung legte das Wüstenvolk vor 1.500 Jahren Terrassen an, um Sturzfluten aufzufangen. Izrael nutzt die Terrassen. „Es regnet nur sieben Tage im Jahr“, sagt er, „mit den Terrassen wirkt das aber wie die vierfache Menge.“
Über Treppenstufen fließt das Regenwasser von den umliegenden Hügeln herunter. Auf jeder Stufe bleibt ein Teil des Niederschlags hängen, dringt in den Boden – und der Rest strömt zur nächsten Terrasse. „Aber der Regen wird weniger“, sagt Izrael. Er reicht nicht. Weshalb Izrael nicht auf Leitungswasser verzichten kann. Um nicht zu viel davon zu verwenden, will er in Zukunft noch die geklärten Abwässer einer naheliegenden Militärbasis nutzen.
Izrael kommt gern mit einem Golfwägelchen zwischen den Reben hindurchgefahren, wenn Besucher aus Tel Aviv oder Jerusalem zur Verkostung da sind. Dann erzählt er von seinen Weinen. Dem Wüstenmerlot. Dem Rosé. Sieben Sorten keltert er. „Die Weine“, sagt er, „haben einen geringeren Säuregehalt und runderen Geschmack. Und man schmeckt den salzhaltigen Boden.“
Das Klima, mit seinen heißen Sommern und kühlen Nächten, eignet sich für schwere Rotweine. Und dank der Trockenheit müssen die Trauben nicht mit Pestiziden behandelt werden.
Trotzdem haben die Winzer erst in den letzten Jahren begonnen, Qualitätsweine zu produzieren. Wein aus Israel war bisher etwas für jüdische Kenner, die gern koscher trinken. Anfang der Neunziger dann änderten Jungwinzer, die in Italien oder Frankreich studiert hatten, die Produktionsbedingungen. Neunzig Prozent aller Weingüter wurden seitdem gegründet – heute gibt es in Israel rund 200. Zwar sind israelische Winzer keine Großproduzenten – sie messen nicht in Hektolitern, sondern noch in Flaschen –, doch der weltweite Export scheint zu laufen. 2010 stieg er um gut dreißig Prozent. Und, was dem Export nach Deutschland zuträglich sein sollte: Im Feinschmecker wurde 2011 erstmals ein Israeli zum Winzer des Jahres gekürt.
Doch die Weine aus Israel haben einen bitteren Beigeschmack, der nichts mit Tanninen zu tun hat: die Anbauregionen. Zu einer der Hauptweinregionen gehören die Golanhöhen im Norden an der syrischen Grenze – nach internationalem Völkerrecht immer noch besetztes Gebiet, auf das Syrien Anspruch erhebt. Und da sind die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland, wo viele der Weine gekeltert werden, die in den Supermärkten günstig zu kaufen sind.
Und eben der Negev. Wo Israel sandig an einem Stacheldrahtzaun endet und der ägyptische Sinai dahinter endlos scheint, steht Yogev Zadock mit einem Weinglas und nippt am Wüsten-Blend. Zadock ist einer der Jungwinzer; sein Weingut „Kadesh Barnea“, das einzig koschere im Negev, liegt keine hundert Meter von dem Grenzzaun entfernt, der verhindern soll, dass Terroristen aus dem Sinai eindringen. Seit der Revolution in Ägypten und dem Attentat auf einen israelischen Reisebus ist der Grenzstreifen eine Hochsicherheitszone. Patrouillierende israelische Armee-Jeeps hier, ägyptische Grenzsoldaten dort.
Ein guter Ort, sagt Zadock. „Bisher keine Terroristen und keine Raketen.“ Wasser für seine Reben wird aus einem unterirdischen Salzsee gepumpt – und dann entsalzt. Ein Aufwand, der sich auch auf den Preis niederschlägt. Bis zu 25 Euro kostet die Flasche umgerechnet.
Weil Zadock der Einzige in diesem Stück Wüste ist, der nach jüdischen Glaubensregeln keltern kann, füllt er auch für Eyal Izraels Gut koscheren Wein ab. Besonders gottesgläubig sind aber beide nicht. Koscherer Wein verkauft sich nur besser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen