Kann man Europas Könige noch ernst nehmen?
JA

KRONE Spaniens Juan Carlos I. nach Elefantenjagd und Affäre im Abseits, der Schwede Carl XVI. Gustaf nach einem Rotlicht-Skandal nur noch matt angestrahlt vom Glück seiner Tochter Victoria

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Rolf Seelmann-Eggebert, 75, ist seit Jahren Adelsexperte der ARD-Fernsehsender

Ich bin ein guter Republikaner. Mit allen unseren Bundespräsidenten war ich einverstanden. Was die sieben europäischen Königreiche angeht, wäre ich allerdings in allen Monarchist. Sie sind historisch nicht belastet. Die norwegischen und dänischen Könige haben sich während des Krieges in den Widerstand begeben. Heute nehmen die Höfe keinen ungebührlich Einfluss auf das politische Geschehen, sondern geben sich Mühe, Volkes Willen zu vollziehen. Ich habe alle europäischen Thronfolger persönlich kennengelernt: sehr gut ausgebildete, bestens vorbereitete Menschen. Sie haben studiert und Militärdienst geleistet, selbst Victoria von Schweden war bei der Armee. In einer Zeit, in der Kontinuität selten geworden ist, sind Monarchien eine Konstante. Die Thronfolger begleiten uns von der Taufe bis zur Bahre. Wichtig ist, dass die Königshäuser, die per se als traditionalistisch gelten, die Hand am Puls der Zeit haben. Eine Elefantenjagd wie die des spanischen Königs ist da kontraproduktiv.

Georg Lohmeier, 86, Autor, gründete 1974 den Bund bayerischer Patrioten

Könige repräsentieren den Staat besser und würdevoller als Präsidenten. Während Könige aus einem angestammten Adelsgeschlecht kommen, gehen Präsidenten aus parteipolitisch umkämpften Wahlen hervor. Demokratie ist in einem Königreich besser aufgehoben als in einer Republik. Zudem ist Repräsentieren wichtiger als Regieren. Regieren kann jeder, aber den Staat würdevoll repräsentieren? Das können nur die angestammten Monarchen. Auch hier in Bayern: Selbst wenn die bayerischen Wittelsbacher momentan nicht regieren, so sind sie doch unsere angestammten Herrscher. Wir wollen sie wiederhaben.

Walter Haubrich, 76, arbeitete 33 Jahre lang als Korrespondent für dieFAZ“ in Spanien

Brauchen wir noch eine Monarchie? Das ist die Frage, die sich die Spanier zum ersten Mal offen stellen. Kritisiert wurde König Juan Carlos I. in diesen Tagen, weil er in einer für Spaniens Finanzen besonders kritischen Woche, begleitet von einer Freundin, zur Elefantenjagd nach Botswana flog. Der König entschuldigte sich dafür offiziell. Schwerwiegender sind aber die Verfehlungen seines Schwiegersohns, der enorme Summen von Staatsgeldern verschleudert haben soll. Auch wenn die meisten Spanier keine Monarchisten sind, wissen sie doch, dass sie ihren König einmal gebraucht haben. Das war 1981, als Juan Carlos die putschenden rechtsextremen Militärs, die den Abgeordnetenkongress überfallen hatten und die Abgeordneten gefangen hielten, in die Kasernen zurückschickte. Juan Carlos genoss damals doppelte Legitimität: Die parlamentarische Monarchie war in einem Referendum von einer großen Mehrheit akzeptiert worden. Das machte sie legitim bei den spanischen Demokraten. Für die Anhänger des verstorbenen Diktators Franco hingegen galt Juan Carlos als legitimer Nachfolger, weil der Diktator ihn dazu ausgewählt hatte. So konnte Juan Carlos den Aufstand der extremen Rechten stoppen. Heute akzeptieren daher viele Spanier die Monarchie aus Dankbarkeit. Hinzu kommt, dass der Kronprinz Felipe wegen seiner einfachen Art sehr geschätzt wird. Manche Spanier verlangen zwar die Abdankung des Königs, aber nur zugunsten Felipes.

NEIN

Helena Tolvhed, 37, ist im Vorstand der Schwedischen Republikaner

Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen gehören in die Märchenwelt, aber Demokratie muss man ernst nehmen! Es widerspricht der schwedischen Verfassung, dass das Staatsoberhaupt – der höchste offizielle Repräsentant des Staates – durch das Erbprinzip bestimmt wird. Der erste Artikel der schwedischen Verfassung legt fest, dass alle Macht vom Volk ausgeht. In diesem Land haben wir ein repräsentatives und parlamentarisches politisches System. Wir von der Republikanischen Vereinigung Schwedens sagen: Monarchie ist mit moderner Demokratie nicht zu vereinbaren. Die Unterstützung für sie geht in Schweden den Bach runter. In den letzten Jahren hat sich unsere Mitgliederzahl verdreifacht. Zehntausend zahlende Mitglieder haben wir mittlerweile. Einen solchen Zuwachs hat es nie zuvor gegeben.

Eckart Conze, 48, ist Historiker und Mitherausgeber der Studie „Das Amt“

Die Deutschen sind heute Vernunftrepublikaner. Ihr Herzensmonarchismus beschränkt sich auf das Blättern in der Regenbogenpresse. Der Glamour der europäischen Höfe, aber auch der französischen oder amerikanischen Präsidialmonarchie steht in Kontrast zur bürgerlichen Farblosigkeit der Berliner Republik. Und das ist gut so. Eine solche Zurückhaltung gehört zur Geschichte der BRD. Weder der auftrumpfende Wilhelminismus vor 1914 noch der Führerkult des Dritten Reichs boten nach 1945 anknüpfungsfähige Traditionslinien. Der Adel ist harmlos geworden. Die junkerlichen Bösewichte von einst pflegen unbehelligt ihre Nischenexistenz. Politisch ernst nehmen muss man sie nicht.

Margarete Augustin-Grill, 60, taz-Leserin, schickte ihre Antwort per Mail

Man hätte sie niemals ernst nehmen dürfen! Als sich der erste „König“ auf einem Thron breitmachte, übertrugen ihm alle anderen des Stammes ihre Eigenverantwortung und wurden zu rechtlosen Untertanen. Die Mehrzahl der „Könige“ – wie auch die buckelnden Höflinge – missbrauchte ihre Stellung, um die eigenen Taschen zu füllen. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Staatslenker sind Könige auf Zeit, die sich allein darum kümmern, vom Stimmvieh Zuspruch zu erhalten. Heutige Höflinge sitzen in Konzernen, Banken und Religionsgemeinschaften. Wir müssen uns das wiederholen, was wir vor langem abgetreten haben: die Verantwortung für uns selbst. Dann braucht es keine „Könige“ mehr.

Wolfram Kastner, Künstler, engagiert sich gegen den Kult um König Ludwig II.

Wie kann man solche Operettenkasperl ernst nehmen? Für das, was diese Überbleibsel aus den räuberischen Adelsdiktaturen heute zur Schau stellen, sind sie einfach überbezahlt. Durch ihren unverdienten Luxus scheinen sie den Bezug zur Realität restlos zu verlieren. Es wäre witziger und vor allem kostengünstiger, gut ausgebildete Schauspieler in die Rollen von Märchenprinzen, Prinzesschen und Königen zu stecken. Die Durchlauchten könnte man dann vielleicht als Aufseher in ihren ehemaligen Schlössern gebrauchen.