Elternbürger können von Glück wissen

Büchergeld: Schulbehörde hält Informationen über Härtefallregelung für arme Familien unter Verschluss. Senatsdrucksache zum Thema wird geheim gehalten. Schulleiter haben keine Kriterien, um geringverdienende Eltern von der Zahlung zu befreien

von Kaija Kutter

Alexander Luckow spricht von einer Härtefallregelung: In der „Senatsdrucksache 2005/0514“ sei ausgeführt, dass Schulleiter Eltern mit geringem Einkommen als „Härtefall“ einstufen können, erklärte der Sprecher der Schulbehörde, als die taz am 2. Juni über eine Lücke in der Lernmittelverordnung berichtete. Denn es gibt Eltern mit Einkommen unter Hartz-IV-Niveau, die nicht vom Büchergeld befreit sind.

In diesen Tagen nun flattert vielen Familien die Bücherpreisliste ihrer Schule ins Haus und dazu ein von der Behörde vorverfasstes Info-Blatt. Empfängern von Arbeitslosengeld II, Asylbewerbern, Schülerbafög-Beziehern und Heimkindern wird darin die bereits bekannte Möglichkeit der „Förderung“ in Aussicht gestellt, aber auch eine enge Frist gesetzt. An einer Rahlstedter Schule zum Beispiel muss bis zum 29. Juni der Armutsnachweis eingereicht werden, sonst sollen die Eltern doch zahlen. Seltsam nur: Von der Härtefallregel für übrige Geringverdiener ist dort keine Rede.

Befragt, ob denn die Behörde nicht beabsichtige, die Eltern darüber zu informieren, zumal ihnen ja offenbar nicht viel Zeit bleibt, ruderte Luckow gestern zurück. Es handle sich bei der „Behandlung von Härtefällen“ gar nicht um eine „spezielle Regelung im Zusammenhang mit der Lernmittelreform“. Vielmehr bewege man sich hier „im Rahmen allgemeiner Rechtsregelungen“. Luckow: „Die Bürger wissen eigentlich, dass Sie, wenn öffentliche Abgaben zu zahlen sind, versuchen können, ihren Fall als Härtefall geltend zu machen.“

Doch genau genommen wissen noch nicht einmal die Schulleiter von dieser Möglichkeit. Zwar wurde ihnen vor wenigen Tagen in einem „Info Brief 5“ mitgeteilt, dass sie im Rahmen des Hamburgischen Gebührengesetzes das Geld „im Einzelfall“ erlassen könnten und dies aktenkundig machen sollen. Doch auch dort wird lediglich auf die angebliche Drucksache „2005/0514“ verwiesen – eine Nummer, die es nach der Aktensystematik des Rathauses nicht geben kann. Der Senat erwähnt das Dokument, danach befragt von der SPD-Abgeordneten Luisa Fiedler, denn auch mit keinem Wort. Es sei nämlich, so Luckow gestern zur taz, „intern“.

„Ich habe an meiner Schule keine gesetzlichen Vorlagen, um Härtefälle abzuarbeiten“, erklärt Klaus Wendtland vom Hamburger Schulleiterverband. „Und ich habe auch keine Kriterien zur Hand, nach denen ich diese Fälle entscheiden könnte.“ Nicht mal, wer dies bezahlt, sei geklärt.

„Es ist bezeichnend, dass der Senat nicht von sich aus auf die Härtefallregel aufmerksam macht“, erklärt Fiedler, die vom Senat auf ihre Frage, wann er dies zu tun gedenke, nur zur Antwort bekam, eine „Information“ sei „in Vorbereitung“. Darüberhinaus sei aber die Stundung der Gebühr „nicht Gegenstand“ der Lernmittelreform. Fiedler spricht nun von „bürokratischer Versteckrhetorik“, ihre Parteikollegin Britta Ernst gar von „Verschaukelung der Öffentlichkeit, um von der Ungerechtigkeit der Gebühr abzulenken“.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Bildungsbehörde ist übrigens auch Gegenstand einer kleinen Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (SPD). So hatte Luckow nach der Gründung des „Komitee Eltern gegen Büchergeld“ öffentlich erklärt, es könne den Schülern unangenehm sein, wenn an den Schulen bekannt werde, dass ihre Eltern nicht für die Bücher bezahlt hätten. Boeddinghaus will nun wissen, ob der Senat beabsichtigt, die Daten der Boykotteure zu veröffentlichen und wenn nein, was er tue, um die ob dieser Drohung „verunsicherten Eltern“ zu beruhigen.