Die Renten sind sicher

Im deutsch-polnischen Doku-Drama „Vabanque“ überfallen sympathische Senioren Banken. Am Donnerstag war Premiere in den Sophiensælen

Alte Menschen sind super. In letzter Zeit machten sie wieder viel von sich reden, allen voran die Opa-Bande. Mit großer Sympathie wurde allerorten von den drei betagtesten Bankräubern Deutschlands gesprochen, die bei ihren 14 Coups über eine Million Euro erbeutet hatten und jüngst in Hagen vor Gericht standen. Schmunzelnd las man vom Anstieg der Seniorenkriminalität und von der Einrichtung von Seniorengefängnissen.

Die Berichte gefielen so gut, weil sie alte Menschen nicht mehr nur als anonyme, statistische Bedrohung oder als irgendwie lächerliche Tangaträger auf Mallorca präsentierten. Auch nicht mehr nur als Menschen, die in ihrer Jugend von Krieg und Drittem Reich infiziert worden waren. Sondern als selbstbewusste, intelligente und humorvolle Gangster. Dass die Berichte über die Opa-Bande meist mit der Zerstörung des schönen Bildes endeten, dass zuvor aufgebaut worden war; dass am Ende aus den Lebenskünstler-Gangstern teils inkontinente Opfer, teils fiese Täter wurden, die möglicherweise vielleicht ja auch jemanden hätten töten können, das nahm man leicht genervt als missgünstig lehrerhafte Relativierung zur Kenntnis.

Einer der Ausgangspunkte des deutsch-polnischen Theaterstücks „Vabanque“ von Viola Hasselberg und Sandra Strunz, das am Donnerstag in den Sophiensælen Premiere hatte, sind die Berichte über die Opa-Bande, ein anderer „eine journalistische Recherche mit Menschen in Polen und Deutschland zwischen 4 und 99 Jahren zum Thema ,Alter und Visionen‘“ (Programmzettel). Eingerahmt wird das Ganze von literarischen Passagen, die Raphael Urweider und Olga Tokarczuk beigesteuert haben. Schirrmachers reißerisches „Methusalem-Komplott“ wird auch mit drin sein. “Vabanque“ ist also eines dieser mittlerweile zahlreichen Stücke, die dokumentarisches Material für die Bühne aufarbeiten; aus Interviews Gewonnenes quasi enteignen und von Schauspielern sprechen lassen, dies alles noch Deutsch-Polnisch (wegen der Förderung vielleicht auch). Eine Art leicht verkunstetes, dezent pädagogisches, notwendig typisierendes Dokumentarspiel könnte man wegwerfend sagen und dass hier zu viel unterschiedliches Material verwendet wurde, zu viele Aspekte berücksichtigt wurden und dass das möglicherweise der Einheit des Stücks geschadet hat.

Andererseits macht es Spaß, den deutschen und polnischen Schauspielern im Seniorenalter zuzugucken; es sollte mehr deutsch-polnische Stücke geben, denkt man, wenn man die schöne polnischen Sprache hört. Drei polnische und drei deutsche Senioren sowie eine Seniorin machen also politische Banküberfälle gegen den Jugendwahn und um sich ihre Träume vom Glück zu erfüllen. Alle träumen von einem Häuschen im Grünen. Die Banküberfälle sind prima inszeniert, die Bühne sieht gut aus und die Senioren sind so sympathisch und auch geschmackvoll gekleidet, dass man am liebsten gleich 70 wäre. Oder 80. Denn die 70-Jährigen von heute sind ja wie die 50-Jährigen von früher.

Zwischendurch halten die Senioren Monologe, in denen statistisches Material präsentiert wird (Alterspyramiden oder besser -pilze, soziale Lage der Alten in Polen und Deutschland, Pflegesituation, Einsamkeit usw.) und die Vor- und Nachteile des Alters abgewogen werden. Die Vorteile des Alters überwiegen sicherlich. Abgesehen von den Gebrechen wird den Alten doch vieles eingeredet, was sie unglücklich macht und der lachende Dritte heißt Pfizer und verdient sich eine goldene Nase! Das Stück ist also ehrenwert, die Schauspieler sind super und haben eine sehr gute Ausstrahlung und „dieser Deutsche, der immer meine Sachen versteckt“ heißt Alzheimer. Detlef Kuhlbrodt