„Mehr Arme in die Kirche“

Vorstellung einer Studie zum Umgang mit Armut

arbeitete als Pastor in Wolfsburg und am Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche.

taz: Herr Grosse, Sie haben bundesweit 14 Kirchengemeinden besucht, die sich dem Thema Armut stellen. In welcher Form tun sie dies?

Heinrich Grosse: Manche bieten kostenlose Nachhilfe an, andere sammeln Kleidung oder organisieren Tafeln. Das Grundproblem bei all diesen Projekten ist, dass sie an die Stelle des Staates treten. Das bleibt ein Dilemma – weil es auch keinen Sinn ergeben würde, diese Sachen nicht mehr anzubieten.

Sind arme Menschen nur Objekte christlicher Nächstenliebe – oder sind sie selbst aktiv?

Es gibt Beispiele, in denen es nicht nur auf der einen Seite die ambitionierten Bildungsbürgerlichen gibt und auf der anderen die Nehmenden. So organisieren in zwei Gemeinden Betroffene die Tafeln mit, in einer anderen beraten sie in Fragen zu Hartz IV.

Aber im Kirchenvorstand ist niemand vertreten?

Nein, nicht dass es mir bekannt wäre. Ich weiß, dass viele Gemeinden sich fragen, wie sie diese unsichtbaren Milieu-Grenzen überwinden können, aber das ist sehr schwer. Anfangen kann man damit, dass man bei Festen berücksichtigt, dass nicht alle so wie ich am Sonntag die Bachkantaten hören.

Und wie sieht es bei den Kirchgängern aus?

Nicht viel besser. Das Schlimme ist ja, dass sich arme Menschen oft nichts mehr zutrauen, nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen. Daran muss Kirche etwas ändern. Interview: eib

Vortrag „Wie die Kirche arme Menschen wahrnimmt“: 19.30, Forum Kirche, Hollerallee 75