das wird: „Diese Puppen sind so lebendig“
Festivalleiterin Stephanie Wedekind über die 38. Göttinger Figurentheatertage
Interview Robert Matthies
taz: Frau Wedekind, was macht den Reiz von Figurentheater aus?
Stephanie Wedekind: Figurentheater ist extrem facettenreich und bietet einen großen Reichtum an Spielformen. Es gibt Handpuppen und Stabfiguren, Klappmaulpuppen und Marionetten, Schatten- und Objekt- oder Maskentheater. Man kann an zwei Abenden vollkommen unterschiedliche Aufführungen sehen, allein durch die Art des Figurenspiels. Das Figurentheater eröffnet szenischen Umsetzungen von schwierigen Themen wie Geburt, Tod oder Sexualität, die sich beispielsweise im Schauspiel manchmal nur schwer realisieren lassen, andere Darstellungsmöglichkeiten. Es gibt ernsthafte, tiefsinnige, aber auch komische Momente, die man dadurch vielleicht emotional anders aufnehmen kann. Besonders ist zudem das Wechselspiel zwischen Puppen und Spielern: Wenn es tolles Figurentheater ist, dann vergisst man die Spielenden dahinter, das finde ich faszinierend, bei Neville Tranter zum Beispiel geht es mir immer so …
… dem berühmten australischen Puppenspieler.
Ja, ich nehme ihn irgendwann nicht mehr wahr, weil diese Puppen so lebendig sind. Das sind Erlebnisse, die man so in anderen Genres nicht hat.
Stephanie Wedekind
war viele Jahre als Dramaturgin unter anderem am Schauspielhaus Düsseldorf, am Schauspielhaus Graz und am Staatstheater Kassel tätig. Seit 2017 arbeitet sie im Fachamt Kultur der Stadt Göttingen und leitet unter anderem die Göttinger Figurentheatertage.
Warum wird Figurentheater dann oft noch auf Puppentheater reduziert und als Kindertheater abgetan?
Warum das so ist, kann ich nicht so genau sagen. Viele kommen nicht, weil sie gar nicht wissen, wie vielseitig und qualitativ hochwertig Figurentheater sein kann. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Aber sobald die Leute es einmal gesehen haben, auch Außergewöhnlicheres wie Objekttheater oder Walk-Acts, sind sie begeistert und kommen immer wieder. In Göttingen gibt es glücklicherweise ein begeistertes und treues Figurentheater-Publikum.
Bei den ersten Figurentheatertagen in Göttingen 1985 waren vier Stücke zu sehen, alle waren für Erwachsene. Mittlerweile haben Sie auch ein umfangreiches Programm für Kinder. Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Festival Göttinger Figurentheatertage: ab heute bis 19. 2., Infos und Programm: figurentheatertage.goettingen.de
Vor der Pandemie wurden die Figurentheatertage mit einem Maskenumzug und Walk-Acts als großes Spektakel in der Innenstadt eröffnet und es gab es 38 Aufführungen an 16 Tagen. In diesem Jahr haben wir immerhin schon auf 24 Aufführungen an zehn Tagen erhöhen und uns einige Spielorte wieder zurückerobern können. Da der vergangene Sommer für viele Kulturschaffende eher schlecht lief, auch im Verkauf, haben wir uns noch nicht so richtig getraut, wieder in die Vollen zu gehen. Vergangenes Jahr durften die Kinderveranstaltungen gar nicht stattfinden, geschweige denn, dass man gemeinsame Veranstaltungen für Schulen oder Kindergärten hätte anbieten können. In diesem Jahr freuen sich erst einmal alle Mitwirkenden, Künstler und Besucher, dass überhaupt wieder so viel möglich ist. Wenn wir dann hoffentlich im nächsten Jahr zum normalen Festivalumfang zurückkehren, können wir auch wieder mehr Abseitiges und Außergewöhnliches zeigen.
Was darf man dieses Jahr nicht verpassen?
Eigentlich nichts, natürlich. Aber es gibt auch Besonderes: das Sofie Krog Teater aus Dänemark, das mit zwei sehr unterschiedlichen Stücken für Jugendliche und Erwachsene zu Gast ist: „Quacksalver“ und „Diva“; einer Street-Show und Handpuppenspiel vom Feinsten, das sollte man sich nicht entgehen lassen. Die Familie Flöz ist zu Gast im Deutschen Theater mit „Infinita“ und natürlich immer ein Genuss. Und ich freue mich über die Gastspiele des Theater Zitadelle mit „Der Yark“ und „Bei Vollmond spricht man nicht“, die seit vier Jahren nicht mehr in Göttingen waren, weil sie immer ausgebucht sind.
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