Knöchel dehnen – kicken – kiffen

Bei den German Footbag Open in Treptow verrenken sich junge Menschen, um ein kleines Stoffsäckchen elegant auf den Füßen hüpfen zu lassen. Sie zeigen ihrem szenigen Publikum Bewegungen, die ganz woanders zu Hause sind

Es gibt Orte im bayerischen Oberland, da ist die Mitgliedschaft in einer Tanzgruppe der Inbegriff des Dazugehörens. Dass sich alle Welt über die von den jungen Männern vorgetragenen Schuhplattler amüsiert, das stört die Watschntänzer wenig. Für sie ist Schuhplattln Leistungssport. Was das mit Berlin zu tun hat? Wer am Wochenende auf dem Fun-Areal vor der Arena in Treptow dem Treiben junger Männer mit schweißglänzenden Oberkörpern zugesehen hat, und weiß, wie sich Spitzenplattler auf dem Tanzboden bewegen, der musste glauben, dass der urbayerische Volkssport in Berlin gelandet ist, bei den Tainingsjackenträgern, bei den Wuschelköpfen – in der Szene.

Natürlich wurde nicht geplattelt an den Gestaden der Spree, es wurde Footbag gespielt. Bei dieser dem Fußball verwandten Abart des Kickens geht es darum, ein rundes, locker mit Granulat gefülltes Stoffsäckchen mit dem Fuß in der Luft zu halten und dabei allerhand Verrenkungen zu machen. Und diese Übungen, für die es schwierige englische Bezeichnungen gibt, sehen eben beinahe so aus wie die Tanzschritte beim Schuhplattln. Der eine Fuß ruht auf dem Boden, während der Footbagspieler mit dem anderen kreisende Bewegungen vollführt – dabei immer den Ball, besser das Stoffsäckchen, in der Luft haltend. Und wenn das Säckchen am Ende der Übung wieder auf dem Turnschuh landet, dann gibt es bisweilen einen Laut, der wieder an das Schuhplatteln erinnert.

Die Musik, die über das Freigelände an der Arena schallt, passt aber so gar nicht zur volkstümlich anmutenden Bewegungsablauf der Sportler. Die German Footbag Open, die am Wochenende stattfanden, kommen alles andere als rustikal daher. Die Spieler bewegen sich zu Reggae oder Drum ’n’ Bass und erfreuen sich der bewundernden Blicke derer, die auch so gerne mit dem Stoffbeutelchen tricksen können wollten. Doch wer nicht kickt, der kifft an diesen Tagen – und leicht benebelt lässt sich schlecht jonglieren mit dem kinderfaustgroßen Spielgerät.

Organisiert wurde das größte Footbag-Event der Republik vom Berliner Vorzeigeclub FC Footstar Berlin e. V. Etliche von Deutschlands besten Bag-Artisten sind unter dem Dach des Clubs organisiert. Und wer mit den Athleten spricht, der merkt schnell, dass viel Arbeit hinter den Übungen steckt. Im Sommer, ja, da ist es leicht, den Footbag hoch zu halten. Parks und Pausenhöfe dienen als Trainingsgelände. Doch wer die schwierigsten Tricks beherrschen will, der muss in der Halle trainieren. Auch dafür gibt es den Verein. Er organisiert die Übungsräume für die Footbaggemeinde.

Und deren Mitglieder müssen nicht nur geschickt sein. Wer ein guter Footbag-Spieler werden will, der muss sich regelrecht verbiegen lassen. „Spielst du selbst?“, fragt ein Showlustiger den jungen Mann, der für die erste didaktisch aufbereitete Footbag-DVD wirbt. „Ja, klar!“, antwortet der. „So wie das aussieht“, erwidert darauf der Erste, „muss man sich die Knöchel brechen, damit man das machen kann.“ – „Nein, das nicht, nur die Bänder überdehnen.“ In der Tat sieht es übernatürlich aus, wie die Spieler ihre Füße abklappen, um die Säckchen zu kicken. Footbag ist also bisweilen eine schmerzhafte Angelegenheit – genau so wie der Watschntanz.

ANDREAS RÜTTENAUER