Linksabweichler auf Linie gebracht

Anfangs schwankt die Stimmung, das Ergebnis ist am Ende aber eindeutig: Der Berliner Landesverband der linken Wahlalternative (WASG) stimmt auf seinem konstituierenden Parteitag für ein gemeinsames Bündnis mit der PDS

War es ein abgekartetes Spiel oder doch bloß das übliche Ritual bei linken Entscheidungsprozessen, die eben etwas Zeit in Anspruch nehmen? WASG-Landesvorstandsmitglied und Linksruck-Aktivist Luigi Wolf (26) hält auf dem Parteitag am Samstag in Friedrichsfelde halbherzig ein Plädoyer für das gemeinsame Linksprojekt mit der PDS. Dann tritt Ex-PDSler Andreas Hallbauer ans Mikro und redet dagegen. Und noch während er spricht, schnellen 60 Arme in die Luft – was in Zahlen ausgedrückt heißt: 60 Wortmeldungen à zwei Minuten, macht insgesamt zwei Stunden Debatte. Drei Stunden später wird abgestimmt. 60 zu 45, bei 17 Enthaltungen, lautet das Ergebnis. Ein klares Votum für ein gemeinsames Bündnis der linken Wahlalternative mit der PDS.

Beschlossen ist damit aber noch lange nichts. Denn entscheidend für das langsam ausartende Prozedere ist die für Anfang Juli geplante Urabstimmung aller WASG-Mitglieder. Und da heißt es dann: Ein Mitglied, eine Stimme – egal wofür der Landesverband vorher gestimmt hat.

Aber mit 461 der bundesweit insgesamt rund 7.000 Mitglieder hat das Votum der Berliner Linksabweichler schon Bedeutung. Schließlich gehen die anderen WASG-Genossen der Republik davon aus, dass die Berliner wohl am intensivsten mit der Entscheidung gerungen haben, ob man trotz des neoliberalen Schwenks ausgerechnet mit denen zusammenarbeitet, die man ja eigentlich bekämpfen wollte.

Anscheinend geht das. Da helfen auch die vielen Gegenappelle mit den hübschen Phrasen nicht: „Wer mit Hunden zu Bett geht, darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufsteht“, sagt etwa WASG-Mitglied Andrea Schulteisz. Oder ein anderer: Der vom Bundesvorstand ausgehandelte Vorschlag mit der Spitze der Sozialisten sei „keine PDS-offene Liste, sondern ein PDS-offenes Messer“.

Angesichts dieser klaren Worte möge man meinen: Keine Chance für die Befürworter. Die gibt es aber. Christine Buchholz warnt vor einer zu engstirnigen „Froschperspektive“. Als Mitglied des Bundesvorstands erhalte sie täglich Dutzende von Anrufern, die hoffnungsvoll auf ein starkes Linksbündnis schauen. Und ausgerechnet Ex-PDSler Michael Prütz, der noch vor einem Jahr maßgeblich das – wenn auch gescheiterte – Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten Senats initiierte, bringt die Stimmung zum Kippen: „Hunderttausende Menschen außerhalb der WASG wollen dieses Bündnis. Wir sind nicht für uns da, wir sind für die Menschen da.“

Am Ende siegt der Kompromiss: Um ein „allenfalls zähneknirschendes Zweckbündnis“ handele es sich dabei, sind sich die Anwesenden einig. Zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2006 werde man sich eine eigenständige Kandidatur auf jeden Fall offen lassen. Und eins müsse auch klar sein, ergänzt ein weiterer Aktivist: „Wir werden in Pankow keine Bilder von Liebich kleben.“ FELIX LEE

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