verschlickt und abgedreht: Hamburgs Hafen- und Polit-Elite mangelt es an Fantasie
Wer der Irrlehre anhängt, Wirtschaft setze kreative Energien frei, kann geheilt werden: Vielleicht war das ja sogar mal im 19. Jahrhundert der Fall, als man glaubte, die Umwelt existiere, um dem Handel dienstbar gemacht zu werden; eine Grundhaltung, die heute für anschwellende Katastrophen und anhaltende Probleme verantwortlich gemacht wird. Zu letzteren gehört die Verschlickung der Seehäfen.
Aber ein Blick auf den Umgang Hamburgs damit beweist: Wenn sich etwas ändern müsste, fällt der Hafen- und Polit-Elite der Gegenwart allerhöchstens ein, das im 19. Jahrhundert ersonnene Mittel zu nutzen, um am Ende dasselbe noch einmal zu produzieren, wenn auch in größerem Umfang. In diesem Fall geht’s ums Ausbaggern der Elbe, das auch die Ursache der immer gravierenderen und schnelleren Versandung der Fahrrinne darstellt. Nun sind dieser Mehr-und-schneller-Methode physikalisch Grenzen gesetzt, die, ehrlich gesagt, schon vor der neunten Elbvertiefung erreicht waren.
Denn selbst, wenn es möglich wäre, mit Überlichtgeschwindigkeit unermesslich viel zu baggern, wäre ja das Sedimentaufkommen ein Problem. Wenn ich irgendwo etwas aushebe, muss ich es anderswo abladen. Dafür reichen Hamburgs Flächen nicht aus. Dafür reicht auch die kurz vorm Jahreswechsel mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein vereinbarte Lösung nicht, das Bagger-Ungut an der Tonne E3 bei Helgoland zu verklappen statt vor der Vogelinsel Scharhörn. Und ob jemals der Plan verwirklicht wird, den Schmodder weit draußen im Meer zu versenken, ist ungewiss: „Meine subjektive Einschätzung ist, dass sich das nicht beschleunigen lässt“, informierte der stellvertretende Leiter des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Bernd Brügge, über den Bearbeitungsstand des Antrags.
Seit Jahresbeginn versucht Sozi-Bürgermeister Tschentscher nun Druck auszuüben, als könnte die Bundesbehörde einfach darauf verzichten, Beteiligte anzuhören und Umweltbelange zu berücksichtigen. Zugleich stellt er die Verbindlichkeit der trilateralen Scharhörn-Einigung in Abrede; das könnte möglicherweise die Zeit verschaffen, die das BSH benötigt, um den Antrag zu bescheiden.
Bloß weiß halt keiner, wie das Verfahren ausgeht, und man verprellt so diejenigen Bundesländer, mit denen man es ohnehin schon seit Jahrzehnten nicht schafft, eine Hafenstrategie zu entwickeln. Besser als Tschentscher hatte das Denken dahinter gleich am 1. Januar die Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG in der Welt am Sonntagauf den Punkt gebracht. „Was bei den Straßen der Abrieb von Teer oder der Verschleiß der Fahrbahnen ist, entspricht bei einem Wasserweg dem Eintrag von Sediment oder auch Beschädigungen an Böschungen des Fahrwassers“, sagte Angela Titzrath. Das Gleiche wie in Bezug auf Bundesautobahnen müsse auch „nicht nur für die Elbe, sondern ebenso für die Jade, die Ems, die Weser und andere Flüsse“ gelten. Und dabei hat die noch nicht einmal der Führer gebaut. Benno Schirrmeister
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