Australien lockert seine rigide Asylpolitik

Regierung gibt Druck aus eigenen Reihen nach. Lob von Menschenrechtsgruppen, Bevölkerung überwiegend dagegen

CANBERRA taz ■ Australien will es Flüchtlingsfamilien in Zukunft erlauben, in der Gemeinde zu leben statt in von Stacheldraht umzäunten Lagern in der Wüste. Dies ist eine von mehreren Maßnahmen, denen der australische Premierminister John Howard zugestimmt hat, um dem wachsenden Unmut über ihre als brutal und unmenschlich kritisierte Asylpolitik zu begegnen.

Seit zehn Jahren versucht Howard, mittels automatischer Internierung seiner Meinung nach „illegale“ Asylsuchende abzuschrecken – Menschen, die ohne die notwendigen Papiere ins Land kommen. Zuletzt hatte Australiens Regierung lediglich erwogen, bis zu 30 irakische und iranische Asylsuchende aus den Lagern zu entlassen, weil sie zum Christentum konvertierten.

Am Freitag hat der Ministerpräsident auch der Forderung nach einer Beschleunigung der Behandlung von Asylanträgen nachgegeben. In Zukunft sollen die Behörden Anträge für ein Flüchtlingsvisum innerhalb einer Frist von drei Monaten behandeln. Dauert der Abklärungsprozess länger, muss der zuständige Minister informiert werden. Damit soll verhindert werden, dass Asylsuchende jahrelang in Internierungslagern untergebracht werden. Gegenwärtig warten mehrere hundert Menschen in abgelegenen Lagern auf einen Entscheid der Einwanderungsbehörde. Humanitäre Organisationen und die Vereinten Nationen beschreiben die Zustände in den Lagern regelmäßig als menschenunwürdig.

Beobachter werteten die Neuorientierung am Wochenende als „außerordentlich“. Bis Freitag hatte sich Premierminister John Howard strikt geweigert, die seit zehn Jahren verfolgte Politik der bis zu sieben Jahre dauernden Internierung von papierlosen Asylsuchenden zu lockern. Die drohende Abspaltung einer kleinen Gruppe von Abgeordneten in seiner eigenen konservativen Koalitionsregierung scheint ihn aber zum Einlenken gezwungen zu haben. Die Parlamentarier hatten gedroht, im Parlament einen Einzelantrag auf Gesetzesänderung zu stellen. Nachdem eine andere konservative Abgeordnete die Abtrünnigen als „politische Terroristen“ bezeichnet hatte, sah Howard die Gefahr einer Spaltung der Partei und suchte einen Kompromiss.

Suzi Clark von der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international sprach von „einem Meilenstein auf dem Weg, Kinder auf die richtige Seite des Stacheldrahtes zu bringen“. Vor allem die Inhaftierung von Kindern wurde in den letzten Jahren zunehmend kritisiert. Ärzte warnen regelmäßig vor schweren psychischen Schäden, die in Gefangenschaft lebende Kinder erlitten. Vor kurzem wurde ein dreijähriges Mädchen in die Gemeinde entlassen, das in einem australischen Internierungslager geboren worden war und noch nie Freiheit genossen hatte.

Trotz solcher dramatischer Fälle stand und steht das australische Volk fast geschlossen hinter Howards Politik der Abschreckung. Die neueste Änderung wurde denn auch wenig positiv aufgenommen. In einer Umfrage am Wochenende meinten 66 Prozent der Befragten, die Regierung sei mit der Lockerung ihrer Politik „zu weit gegangen“.

URS WÄLTERLIN