berliner szenen
: So viel wildes Leben

Auf der Party kenne ich so gut wie niemanden. Dann sehe ich eine Freundin mit einem Paar am Sektausschank stehen. Dankbar geselle ich mich dazu. Der junge Mann wird mir mit den Worten, dass man gemeinsam im Hausbeirat sei, vorgestellt. Hausbeirat klingt irgendwie unheilvoll. Ob er auch eine Wohnung mit Menschen drin gekauft habe (wie die Freundin), die man dann wegen Eigenbedarf rausschmeißt, poltert es aus mir raus. Hat er und redet einen Moment überrumpelt was von Einverständnis. Kurz drauf stehe ich wieder allein da. Der Abend ist gelaufen. Der Mundschenk am Sekttresen schaut verstohlen auf die Uhr, als ich gehe.

Einige Tage später sitze ich am Vormittag in der Küche und lese einen Artikel über einen umkämpften Salzstock im Donbass. Da läutet’s. Der Familienvater aus der Wohnung unter mir steht vor der Tür. Nach einer freundlichen Begrüßung und der Frage, ob er störe, platzt es aus ihm heraus: Ob ich diejenige sei, wegen der seit zirka zwei Tagen jeder Schrank und jede Kaffeetasse wackle und klirre? Er lächelt schief und schiebt nach, dass ich wahrscheinlich einen Liebhaber da hätte? Dabei hätte ich dann doch bestimmt nicht aufgemacht. Ich lache und fühle mich ein bisschen geschmeichelt, dass er mir so viel wildes Leben zutraut.

Aber er ist total überreizt und findet das nicht lustig. Überzeugend schildert er, wie wahnsinnig ihn dieses Dauergeruckel mache. Das kann ich gut verstehen. Beim Weggehen entschuldigt er sich für seine Heftigkeit.

Es war was an seinen Türen, erzählt er Tage später, er sei auf allen vieren durch die Bude gekrochen und so drauf gestoßen. So schmiert diese Geschichte ins überaus Alltägliche ab und ist trotzdem um einiges netter als eine weitere der ungezählten über die Seuche der Eigenbedarfskündigung!

Katrin Schings