berliner szenen: Pflanze sucht neues Zuhause
Ich war spät dran, musste aber noch schnell ein paar Lebensmittel einkaufen. Ich lief also zum Nahkauf, dem nächsten Supermarkt von meiner Schöneberger Wohnung aus, und blieb schon vor dem Eingang hängen – an einer Pflanze, die aussah wie eine Palme. Nur hatte sie vergessen zu wachsen. Sie gefiel mir sehr, aber ich brauchte sie nicht, zumal alle meine Pflanzentöpfe belegt waren. Ich zögerte, Sekunden verstrichen, dabei hatte ich es doch eilig. Ich griff zur Pflanze und nahm sie mit in den Laden, ich könnte ja drinnen noch weiter überlegen, ob ich sie denn wirklich kaufen würde.
Ich griff zu den Zitronen, zum Ingwer, zum Brot, lief weiter an den Regalen entlang, am Käse vorbei, griff zum Hummus, der auch teurer geworden war, so wie alles, warum also noch diese Pflanze, die ich ja nicht brauchte? Ich beschloss, sie wieder loszuwerden. Nur wie? Mit dem Einkaufskorb in der Hand konnte ich ja schlecht nach draußen gehen. Sonst würden die Leute mich für eine Diebin halten. Auf den Gedanken, den Einkaufskorb kurz zu parken und die Pflanze raus zu bringen, kam ich auch nicht. Also holte ich die Pflanze aus dem Korb und stellte sie ins Regal zum Reis. Irgendwer würde sich sicher ihrer erbarmen.
Kurz darauf, bei der Suche nach Veggie-Hack, überkam mich ein schlechtes Gewissen gegenüber den Mitarbeitern des Supermarkts. Wenn alle Kunden Dinge, die sie doch nicht kaufen wollen, einfach irgendwo abstellen würden, dann wäre das Chaos groß. Gedankenverloren lief ich zur Kasse, als mich plötzlich jemand von hinten antippte. Es war einer der Supermarktmitarbeiter. „Und was ist mit der hübschen Pflanze?“ Ich wusste sofort, worauf er aus war: „Tut mir leid, ich bringe sie schnell wieder nach draußen zu den anderen Pflanzen.“ Er nickte. Und ich machte mich auf den Weg zum Reis-Regal. Eva Müller-Foell
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