Hafen-Flair statt Kellerklub

JAZZ-EVENT Frust für kleine Clubs: In Sachen Jazz-Zukunft setzt Hamburg vor allem auf große Events mit Tourismus-Faktor. Auch das dritte Elbjazz-Festival punktet am Wochenende mit Hafen-Flair und großen Namen. Aber auch für Abseitigeres gibt es einen Platz

Wer Anspruchsvolleres hörte, der stand schnell allein vor der Bühne

VON ROBERT MATTHIES

Mit vielen Ausrufezeichen haben Anfang des Monats die letzten beiden noch bestehenden reinen Jazzclubs der Stadt, der Cotton Club und das Birdland, und das ehemalige Team des Jazzclubs im Stellwerk – das zum Jahreswechsel frustriert über die nicht zuletzt auch finanziell ausgebliebene Anerkennung das Handtuch geschmissen hat – anlässlich einer Diskussion auf Kampnagel ihrer Enttäuschung über die Situation des Jazz in Hamburg Ausdruck verliehen. Lange hätten sie um eine Förderung und „zumindest um Respekt“ gekämpft, seien aber schließlich durch den letzten Bürgerschafts-Beschluss zur Jazzförderung abermals „abgewatscht“ worden.

Hamburg sei auf dem „einzigartigen“ Weg, eine „jazzclubfreie und Hansestadt“ zu werden. Statt der lokalen Szene und damit auch dem Nachwuchs unter die Arme zu greifen, gingen beachtliche Dreiviertel der beschlossenen 130.000 Euro in den nächsten vier Jahren an die drei großen Jazz-Festivals: an das Jazzbüro Hamburg und damit an das Jazz Open in Planten un Blomen und das Überjazz-Festival auf Kampnagel sowie an das Elbjazz-Festival. Eine klare Entscheidung zugunsten großer Events mit Tourismus-Faktor.

Dass deren Überzeugungskraft nicht allein in Blue Notes, Schleiftönen und Multiphonics liegt, ist denn auch den Initiatorinnen des dieses Wochenende zum dritten Mal stattfindenden Elbjazz-Festivals, Tina Heine und Nina Sauer, klar: die meisten von dessen Besuchern – im letzten Jahr sind zum zweitägigen Festival rund um den Hafen schon beeindruckende 15.000 Menschen gekommen – werden „von der grandiosen Kulisse und dem maritimen Flair des Hafens angelockt“. Und stellen erst dort nicht selten ganz überrascht fest, „dass Jazz ihnen viel besser gefällt, als sie bisher gedacht haben“.

Dass dem jahrezehntelang als entweder anstrengende oder reichlich angestaubte Kellerklub-Musik für Rotwein trinkende Spezialisten verschrienen Jazz ein derart großes neues Publikum erschlossen worden ist, liegt indes nicht zuletzt auch daran, dass auf den zehn mit Barkassen verbundenen Bühnen an „ungewöhnlichen Spielorten“ zwischen Blohm+Voss-Werft und Hafencity ganz bewusst auf einen weiten Jazz-Begriff und massenkompatible große Namen gesetzt worden ist: Wer Anspruchsvolleres wie die elfköpfigen britischen Fringe Magnetic hörte, der stand schnell allein vor der Bühne.

Auch dieses Jahr dürften vor allem die großen Namen für zufriedene Gesichter bei Publikum und Veranstaltern ebenso wie bei Gastronomen und Sponsoren sorgen. Und was dabei bei den über 60 Konzerten auf die zehn Bühnen gebracht wird, kann sich tatsächlich hören lassen: Eine beeindruckende Mischung aus internationalen Stars und Legenden, Newcomern und lokalen Lieblingen haben Sauer, Heine und ihr Team dieses Jahr gebucht.

Und auch Künstler, die nicht so leicht zugänglich sind wie die niederländische Sängerin Caro Emerald, Jazz-Zurückkehrer Curtis Stigers und die Schwedin Viktoria Tolstoy, nicht so legendär wie der Ethio-Jazz-Großvater Mulatu Astatke und nicht so angesagt wie die norwegischen Stil-Jongleure Katzenjammer finden dabei einen prominenten Platz. Nicht entgehen lassen sollten sich Grenzgang-Freunde etwa den Auftritt des norwegischen Avantgarde-Improvisations-Trios Supersilent. Arve Henriksen, Helge Sten (aka Deathprod) und Ståle Storløkken – gerade von der gemeinsamen Tour mit den Ausnahme-Psychedelic-Rockern Motorpsycho zurück – gehören nicht nur jeder für sich zu den herausragendsten Instrumentalisten des skandinavischen Landes, sondern haben sich zu dritt in den letzten fünfzehn Jahren in eine ganz eigene Musikumlaufbahn geschossen – ganz, ganz weit da draußen.

Zu Recht voll wird es natürlich auch bei Helge Schneiders zwei Auftritten: einmal ist er mit Chilly Gonzales zu hören, ein anderes Mal mit Michael Wollny.

■ Fr, 25. 5. und Sa, 26. 5., diverse Orte rund um den Hafen; Infos und Programm: www.elbjazz.de