SOUNDTRACK

Wäre die Band ein handelsübliches Konglomerat aus vier bis fünf männlichen Gesellen, sie hätte weniger Aufmerksamkeit erhalten. Aber mit breiter Brust vorgetragener dreckiger Rock mit Indie-Habitus wird nur höchst selten von (auch noch gemischtgeschlechtlichen) Duos gespielt. Die Aha- und Oho-Effekte, die Blood Red Shoes spätestens 2008 mit ihrem Debüt-Long-Player erzeugten, gehen damit wohl nicht unwesentlich auf diese Form zurück und auf die Überraschung, dass auch mit reduzierten Mitteln dichteste Sounds entstehen können. Das jedenfalls scheint der Kern des Programms der Brightoner zu sein. Meist auf der Basis des typisch britischen Alternative-Disco-Beats entfalten Schlagzeuger Steven Ansell und Gitarristin Laura-Mary Carter im Grundton dunkle, mitunter dronige, immer krachig-knarzende und doch melodieorientierte Stücke, die mal an eine unartige Version von Garbage, mal an gezähmte Hole erinnern. Und im Zentrum steht dabei Ansells und Carters oft im Duett auftretender Gesang, der letztlich eins mal klarstellt: es geht ohne die oben genannte Band nicht nur laut, sondern auch ergreifend hymnisch. Do, 24. 5., 20 Uhr, Docks, Spielbudenplatz 19

Falls man mal wissen möchte, wo die Karawane gerade so langzieht: Claire Boucher gilt derzeit ein bisschen als Entdeckung der Saison. Die weit verbreitete „Bio“ der Kanadierin listet die Relegation von der Universität und den Bau eines Hausboots, dessen Mississippi-Fahrt aufgrund polizeilicher Intervention allerdings nur von kurzer Dauer war. Sie hat dann Tracks produziert und diese ins Internet gestellt. In ihnen regiert gnadenloser Eklektizismus, der wenig mit der Kreation von neuem Stil durch Zusammensetzung alter Stile und viel mit dem Ende des althergebrachten Stil-Gedankens zu tun hat. Hier haben vermutlich keine Plattenfirma und kein Producer nachhelfen müssen, sondern es kommt unter den Namen Grimes einfach nur alles auf den Tisch, was so in einem drinsteckt: Disco, Pop, Wave, Electro, Synthiesound, R’n’B, Vocoder, natürlich auch PopArt, Hedonismus, Do it yourself, Modemagazin-Strecken und Subversionen in alle (politisch korrekten) Richtungen. Schlecht für „Traditionalisten“, „alte Säcke“, „romantisch“ oder „ideologisch“ Verbohrte, die sich darüber beklagen, dass alles so beliebig im Sinne von egal wirkt. Für die, die es mögen, ist es allerdings genau das Richtige. Sa, 26. 5., 19 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

„I’m alright“, sagt Sharon van Etten in einem Song auf ihrer neusten Platte. Oder sie lässt ihn sagen. In Interviews unterstreicht sie, dass die notorisch traurige Grundnote ihrer Lieder nur ein höchst unvollständiges Bild von ihr wiedergibt („I’m fine“). Alles andere wäre auch tragisch. Einerseits. Andererseits handelt van Ettens drittes Album in einem doch sehr umfassenden Sinne von Dingen, die sich mehr im Schattenbereich des Lebens abspielen und besitzen die Songs auch nach eigenen Aussagen einen selbsttherapeutischen Charakter. Authentizitätsfragen einmal außen vor, ist „Tramp“ in seiner ganzen Bedächtigkeit jedoch vor allem ein abwechslungsreiches Album geworden. Es schließt an die ersten beiden mehr klassischen und Folk-beeinflussten Singer-Songwriter-Platten an. Es wartet aber auch mit, zuweilen an die Walkabouts-Schule erinnernden, Americana-Rock-Arrangements auf. Es ist in anderen Momenten schließlich der gelungene Versuch, jenseits der Schemata klassischen Songwritings eine Atmosphäre zu schaffen, die man am ehesten mit Namen wie Kristin Hersh und PJ Harvey in Verbindung bringen kann. Überhaupt ist Letztere als Gallionsfigur einer düsteren Grandezza vor allem gesanglich ein überaus passender Referenzpunkt. „I’m wrong“, heißt es in einem Lied auf „Tramp“. Man kann nur entgegnen: You are not. Di, 29. 5., 20 Uhr, Prinzenbar, Kastanienallee 11

Eklektizismus einmal anders. In der kalifornischen Bay Area gelten sie lange schon als protesterprobte Institution, nach einer Tour durch Europa 2004 sind sie auch hier zum Begriff geworden. Die Extra Action Marching Band besteht, je nach Laune, Ort und Verfügbarkeit aus rund 30 Personen, verfügt – wie es sich gehört – über eine Flag- und eine Cheerleading-Sektion, präsentiert ansonsten aber eine wenig traditionalistische Mischung aus Brass-Band, Samba, Polka, New Orleans-Blues, aus anarchistischer Überschreitung in S/M-Chic und Tierkostüm. Bekanntermaßen gelten für Marching Bands nicht die Gesetze der Bühne, die sie mit traumwandlerischer Sicherheit verlassen, um das Spektakel in den öffentlichen Raum zu tragen. In der Hafencity soll es Bewohner geben, die sich nach dem Umzug über den Schiffslärm beschwert haben. Man möchte sie mal am Mittwoch sehen. Mi, 30. 5., 19 Uhr, MS „Stubnitz“, Sandkai  NILS SCHUHMACHER