momentaufnahmen
:
Wenn zwischen Welten nur 200 Meter liegen
Es ist kalt, ich scheue den Weg zur türkischen Bäckerei in Berlin-Kreuzberg, wo ich oft mittags einen Kaffeeshot zu mir nehme. Ich betrete das Espresso House gegenüber dem taz-Gebäude. Zum ersten Mal. Gentrification-English wie „Seasional Brew“ (What? Jahreszeitengebräu?).
Man(n) unterhält sich gepflegt über IT – zwei hinter, einer vor der Theke. Es dauert, bis ich bestellen darf: Espresso, bitte. 2,59 Euro. Es dauert, ein weiteres Gespräch. Am Ende ist der Luxusbrew lauwarm, kein Schaum.
Zweihundert Meter entfernt liegt die Bäckerei, familiengeführt – die Hauptstadt-SPD würde von Clan sprechen. Hoch frequentiert von der Nachbarschaft, der türkischen, arabischen, deutschen, den Besuchern des nahen Jüdischen Museums. Der Siebträger wird eingespannt, wenn ich vor dem Fenster auftauche. Der Espresso 1,70 Euro, für mich manchmal 1,50, heiß, mit Schaum. Ich erfahre von der Ehefrau, die nachts als Putzkraft auf dem BER arbeitet. Ein arm wirkender alter (weißer) Mann bittet um ein Brötchen, kostenlos, und bekommt zwei.
Nur 200 Meter voneinander entfernt – es liegen Welten dazwischen. Rosemarie Nünning