alles, nur kein fußball!
: Ich muss Reha

Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz Alternativen aus

Dieser Text folgt ja der supertollen Idee der taz-Sportredaktion, dass alle, die die Männerfußball-WM im Emirat Katar aus gewiss guten Gründen nicht gucken wollen, geschweige denn dass sie hinfliegen, doch selber etwas Sport machen sollen und dann darüber schrei­ben. Dieser Idee hängt natürlich etwas Schwieriges an.

Dieses komplizierte Anhängsel zur guten Idee nennt man Körper. Genauer: Es geht um seine Biegsam- und Belastbarkeit, seine Frische. In den lyrischen Worten der kölschen Band Bläck Fööss formuliert, ist es dieses Phänomen: „He deit et wih un do deit et wih / alles wat schön es, dat darf mer nit mih“.

Schulter, Hüfte und Füße sind es bei mir. Das wird dann im Rahmen der Gesundheitsökonomie passend gemacht: „Lungensport“, „Obere“ und „Untere Extremität“ und „Gesunder Rücken/Muskelaufbau“ sind solche Kategorien, in die man eingeteilt wird, um einmal die Woche 45 Minuten Gymnastik zu machen.

Dass das dem Körper gut tut, stimmt ja, aber es enthält doch vor allem die Lehre und Botschaft an den Rekonvaleszenten: Du bist alt! Mag sein, dass du dich noch an Zeiten erinnerst, als du Fußball gespielt hast (in meinem Fall: selten), einen Marathon gelaufen oder vom Zehnmeterbrett gehüpft bist (beides tat ich nie), dass du noch von schwierigen Klettertouren auf hohe Berge träumst (doch, hier bin ich ertappt). Die Wirklichkeit lautet: Guck erst mal, dass du gut in den Vierfüßlerstand kommst, Hände unter die Schultern. Und dann rechter Arm nach vorne, gleichzeitig linkes Bein nach hinten. „Und wenn es nicht mehr geht, hör lieber auf“, sagt die freundliche Frau, die ich früher gewiss Trainerin genannt hätte, aber vielleicht ist die Berufsbezeichnung Gymnastiklehrerin passender.

So kommt es schon mal vor, dass ich eine Übung nicht mitmachen kann, weil es „in den Schmerz geht“, wie ich dann fachmännisch sage. „Au, das tut weh“, wären meine früheren Worte gewesen. Und so kommt es auch vor, dass ich am nächsten Tag Muskelkater verspüre. Manchmal sogar am übernächsten Tag.

Nicht der Muskelkater schmerzt. Der vermittelte ja in früheren Jahren vielmehr das eher gute Gefühl, tatsächlich etwas Sinnvolles und Körperertüchtigendes getan zu haben. Was schmerzt, ist die Erkenntnis: So ein einfacher Kram hätte dir doch früher nichts ausgemacht!

Das Wort Rehasport dürfte also ein Etikettenschwindel sein. Hier findet keine rehabilitatio statt, keine Wiederherstellung früherer Fertigkeiten. Hier wird nur der Verfall etwas langsamer gestaltet.

Von den Bläck Fööss, die es seit 1970 gibt, haben mittlerweile die letzten Gründungsmitglieder die Band verlassen. Stellt sich nur die Frage: Wie hält sich eigentlich Mick Jagger fit? Macht der Rehasport? Oder wie nennt sich das bei den Rolling Stones? Martin Krauss