MATTHIAS STÜHRWOLDT GRüNLAND
: Die besten Biere meines Lebens

Die Jugend geht, das Bier bleibt: Hauptsache draußen, Hauptsache nicht allein

Wenn es um den Genuss alkoholischer Getränke geht, bin ich Kulturbanause. Mit Rotwein kann man mich jagen, Weißwein mag ich, aber am liebsten mit Wasser gepanscht. Neulich waren meine Liebste und ich auf einer ziemlich elitären Weinprobe, und ich musste fast in den Tisch beißen, um nicht laut loszulachen, als die anderen Probesäufer mit Kennermiene die Lippen schürzten und etwas von Ebenholzaromen und dem Geschmack des Morgentaus faselten. So ein Blödsinn, echt.

Nein, ich bin eher Biertrinker. Der Stoff der Arbeiter und Bauern. Gewiss, auch der der Spacken und Prolls. Keine Schlägerei, kein Fußballkrawall kommt ohne Bierkonsum zustande. Aber da kann das Bier ja nix für. Ich jedenfalls werde durch Bier nicht aggressiv. Ich werde meist redselig und manchmal lüstern. Und manchmal bin ich enttäuscht, weil sich das erwartete Hochgefühl nicht einstellen mag. Wie sang schon Sven Regener so treffend: „Ich möchte so gern berauscht sein, doch ich werde immer nur breit.“ Das kenn ich auch. Zur Genüge.

Meine Freunde und ich unternahmen im besten Halbstarkenalter einmal eine Fahrradtour. Wir waren bei einem Bauern untergekommen und schliefen in der Scheune neben dem Miststreuer auf einem Strohballenlager. Abends wollten wir im Dorf etwas trinken gehen. Es gab aber keinen Dorfkrug, sondern nur eine auf intellektuell gemachte „Weinstube“. Wir gingen trotzdem hinein und ließen uns vom Inhaber über alle Weine des Hauses aufklären, bevor wir kollektiv Bier bestellten. Das war ein Spaß.

Die besten Biere meines Lebens waren immer Biere in Gesellschaft, unter freiem Himmel. Niemals alleine, niemals drinnen. Unvergesslich die vom zusammengeschmissenen Taschengeld gekauften Kisten Billigbier, die wir, am Stolper See sitzend, im Zwielicht der Holsteiner Mittsommernächte killten. Dunkel und glatt lag der See vor uns; dahinter stand schwarz der Wald des anderen Ufers. Seit Generationen sitzt dort jedes Jahr die Dorfjugend. Gleiche Stelle, gleiches Getränk. Nur die Gesichter ändern sich.

Im letzten Jahr trafen wir uns wieder. Für ein Herrenwochenende. Der alte Kreis. Statt neben dem Miststreuer logierten wir nun in einem Wellnesshotel. Wir sechs Mittvierziger rissen den Altersschnitt der Gästeschaft um die Hälfte runter. Abends fuhren wir in die Stadt, um Schnitzel und Pommes zu essen. Wir hatten keine Lust auf ein Vier-Gänge-Menü mit korrespondierenden Weinen.

Als wir in der Dämmerung zurückkamen, holten wir das mitgebrachte Bier aus dem Kofferraum und stellten uns im Garten des Hotels eine Strandkorbburg zusammen. Hoch über dem Ufer des Tollensesees saßen wir wieder im Kreis, tranken Bier, bis es alle war, und redeten die halbe Nacht über gestern, heute und morgen. Es war gut. Nein, es war großartig. Und ohne Bier kaum denkbar. So traurig das sein mag.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat