Fischer warnt vor möglicher Spaltung Europas

Minister warnt vor „britannischem Weg“ und weist Vorwürfe zurück, Berlin habe nicht gut vermittelt: Dafür fehle Geld

BERLIN taz ■ Außenminister Joschka Fischer hat nach dem Scheitern des EU-Gipfels in Brüssel vor einer möglichen Spaltung Europas gewarnt. Bei einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt sagte Fischer gestern, seit dem Nein zur geplanten EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden gebe es eine „europäische Identitätskrise“. Diese sei ausgelöst worden, weil zwei Gründungsmitglieder die Verfassung abgelehnt hätten.

„Daraus ergibt sich die Gefahr einer Spaltung Europas“, sagte der Grünen-Politiker und fügte hinzu: „Ein gespaltenes Europa wird ein schwaches Europa sein.“

Fischer bemühte sich, nicht allzu pessimistisch zu erscheinen und erlaubte sich eine spaßige Eingangsbemerkung. Zu einem offenkundig gut erholten Journalisten sagte er, „ich würde mir wünschen, Europa befände sich in Ihrem Zustand“. Dies sei aber leider nicht der Fall. Wenn nun überall von der schwersten Krise Europas gesprochen werde, könne er nur sagen: „Ich denke, dem muss man zustimmen.“

Man müsse zur Kenntnis nehmen, sagte Fischer, dass die Franzosen und Niederländer mit ihrem Nein die Frage, ob es zu einer EU-Verfassung kommen könne, „bis auf Weiteres negativ entschieden“ hätten. Daraus habe sich bedauerlicherweise auch eine „Verschiebung des Meinungsklimas“ innerhalb der gesamten EU ergeben.

Zu den gescheiterten Finanz-Verhandlungen in Brüssel sagte Fischer: „Eigentlich wäre nach rationalen Kriterien eine Einigung möglich gewesen.“ Entgegen mancher Darstellung sei es nicht um eine generelle Aufhebung des Zahlungsrabatts für Großbritannien gegangen, sondern nur darum, ihn auf eine bestimmte Summe einzufrieren. Man habe die Regelung ändern wollen, wonach Großbritannien in Folge der EU-Erweiterung einen noch größeren Rabatt bekomme als zuvor. Er könne „nicht nachvollziehen“, sagte Fischer, dass sich London einerseits intensiv für die Erweiterung einsetze, dann aber keine Zugeständnisse mache. Fischer wies Vorwürfe der Union zurück, die Bundesregierung sei mitschuldig an dem Scheitern der Verhandlungen, weil sie keine wirksame Vermittlerrolle eingenommen habe. Der Minister machte deutlich, dass die deutsche Vermittlung früher meist mit großzügigen Angeboten verbunden war. Heute sei der finanzielle Spielraum aber, wie auch die Opposition wisse, begrenzt.

Fischer betonte, Europa dürfe sich nun „keine Pause“ leisten. Es gehe um die Frage, „ob man das Europa auch als ein Europa der Solidarität sieht“. Einen marktradikalen, „britannischen“ Weg einzuschlagen, würde diejenigen, die in Frankreich mit Nein gestimmt haben, erst recht bestärken. LUKAS WALLRAFF