Vor der „notwendigen Befreiung der Bauern“

Bauerntag 2005: Auch wenn Präsident Sonnleitner „keinen Wahlkampf“ machen will – genau das wird zelebriert

BERLIN taz ■ „Landwirtschaft. Arbeit. Zukunft“. Das ist das Motto des heute in Rostock beginnenden Deutschen Bauerntags. Und aus Sicht der Bauernspitze ist die Zukunft rosig: Nie standen die Chancen günstiger, die verhasste Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast loszuwerden. Entsprechend martialisch ist die Sprache von Gerd Sonnleitner. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes spricht von einer „notwendigen Befreiung der Bauern“. Auch wenn Sonnleitner im Vorfeld erklärt: „Wir machen keinen Wahlkampf gegen Renate Künast“ – die Verbraucherministerin wird sich bis Sonntag viele böse Worte von den erwarteten 7.000 Bauern gefallen lassen müssen.

Tatsächlich nämlich geht es der Branche schlecht. Trotz erheblich längeren Arbeitszeiten haben die 400.000 deutschen Bauern erheblich weniger Geld im Portmonee als andere. 2004 lag laut Statistischem Bundesamt ihr durchschnittliches Monatsbrutto bei 1.542 Euro. Zum Vergleich: Wer im produzierenden Gewerbe arbeitet, bekam 2.507 Euro.

Einerseits verfielen die Preise für Produkte weiter, gleichzeitig stiegen die Preise für Energie und Futter aber an. „Für einen Liter Diesel muss ich inzwischen drei Liter Milch verkaufen – da ist was faul im System“, sagt etwa Bauer Gerd Blume aus Ostbrandenburg. Die Milchwirtschaft aber ist der größte Einkommenszweig der Bauern. Mit einem Produktionswert von fast 9 Milliarden Euro entfallen auf sie fast ein Viertel aller bäuerlichen Einkommen. „Wenn der Milchpreis die Kosten nicht mehr deckt, ist es nur eine Frage der Zeit, dass viele Milchviehbetriebe kollabieren“, warnt Schleswig-Holsteins neuer Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU).

Nicht nur die Künast-Gegner hadern mit der Ministerin. „Renate Künast hat in Berlin versucht, mächtig viel Pressewirbel zu betreiben. Dabei hat sie ganz vergessen, ihre Politik den Landwirten zu erklären“, sagt Ulrich Jasper, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – einer Gegenorganisation zum Deutschen Bauernverband mit 5.000 Mitgliedern. Dass sich allerdings unter einer Kanzlerin Angela Merkel die Situation der Bauern grundlegend ändert, bezweifelt Jasper: „In ihrer jüngsten Bundestagsrede zur Zukunft der EU-Finanzen hat sie erklärt, dass auch die deutschen Agrarsubventionen nicht sakrosankt sein dürfen.“ Genau das hatte Sonnleitner aber gefordert: den von Schröder und Künast bis 2013 ausgehandelten Subventionsbetrag nicht anzutasten. Könnte sein, dass auch Angela Merkel bei ihrem Auftritt am Donnerstag ein paar böse Worte zugedacht werden. NICK REIMER

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