„Rot-Grün verdient Respekt“

INTERVIEW HANNES KOCH

taz: Ihr Verband vertritt das Große Geld. Sind Sie nun zufrieden, Rot-Grün und Bundeskanzler Gerhard Schröder endlich loszuwerden?

Manfred Weber: Nein, wir machen keine Parteipolitik, sondern orientieren uns an Sachfragen. Und da muss ich sagen: Unser Land ist in den vergangenen sieben Jahren durchaus vorangekommen, wenn auch nicht schnell genug. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist nicht entschlossen genug vorgegangen. Das kann man dieser Bundesregierung aber nicht unbedingt anlasten. Schließlich reichen unsere Probleme weit länger zurück als sieben Jahre.

Eine Umfrage in der Wirtschaft hat unlängst ergeben, dass die deutschen Manager Schröder gar nicht schlecht finden. Trifft das auch die Stimmung unter den Bankvorständen?

Absolut. Die rot-grüne Regierung verdient größten Respekt. Leider kann sie die Früchte nicht mehr ernten – auch weil sie nicht konsequent gewesen ist. Gerade am Anfang wurden viele Fehler gemacht. Aber nach dem Ausstieg von Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister 1999 kam es zu einer alles in allem beachtlichen Reformpolitik.

Wo hat die Regierung Schröder gute Arbeit geleistet?

Denken Sie an die Alterssicherung. Das Riesenproblem der demografischen Entwicklung ist wenigstens etwas entschärft worden. Die Einführung kapitalgedeckter Elemente in der Alterssicherung betrachten wir als einen grundlegenden Schritt.

Die Reform begrüßen Sie, weil dem Finanzsektor damit zusätzliche Milliarden zufließen?

Natürlich wollen wir unsere Produkte verkaufen – genauso, wie Sie Ihre Zeitung unter die Leute bringen möchten. Davon abgesehen geht es aber um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Mit dem bisherigen System können wir das heutige Niveau der Renten künftig nicht mehr halten. Die richtigen Probleme kommen erst noch, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre 2020, 2030 in Rente gehen. Leider ist Rot-Grün bei der Reform auf halbem Wege stehen geblieben.

Welche Fehler hat die Regierung zu verantworten?

Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre wurde tabuisiert. Ich verstehe gar nicht, warum. Die USA haben ein solches Gesetz bereits 1983 gemacht. Da steht drin, dass zwanzig Jahre später, also jetzt, die Altersgrenze für die Verrentung pro Jahr um einen Monat steigt.

Eine widersinnige Logik: Warum sollen die Beschäftigten länger arbeiten, wenn gleichzeitig fünf Millionen Menschen auf einen Job warten?

Ich rede über langfristige Entwicklungen. 2020 werden wir an einem Mangel an Arbeitskräften leiden – da wäre es sehr weise, sich heute schon vorzubereiten. Zumal eine langsam steigende Lebensarbeitszeit zusätzliches Geld in die Rentenversicherung bringt. Freilich sollten wir ehrlich sein: Der wichtigste Grund für die hohe Arbeitslosigkeit liegt im schwachen Wachstum. Seit Beginn der 90er-Jahre wächst unsere Wirtschaft viel zu langsam.

Das wollte die rot-grüne Regierung ändern – zum Beispiel mit massiven Steuersenkungen. War das richtig oder falsch?

Gesamtwirtschaftlich betrachtet liegt die steuerliche Belastung nun auf einem historischen Tiefpunkt. Das ist zu begrüßen. Bei den Unternehmen sieht es aber anders aus. Die angeblichen Entlastungen hat Rot-Grün immer an anderer Stelle wieder hereingeholt.

Wie bitte? In den Jahren nach 2000 haben gerade die Konzerne gar keine Gewinnsteuern mehr gezahlt.

Das war die große Ausnahme. Die Steuerreform von Bundesfinanzminister Hans Eichel hat ermöglicht, dass die Unternehmen sich quasi eingefrorene Guthaben von den Finanzämtern auszahlen lassen konnten.

Während beispielsweise BMW-Vorstand Helmut Panke die gegenwärtige Höhe der Körperschaftsteuer für völlig okay hält, verlangen Sie also eine weitere Reduzierung?

Allerdings. Wir müssen weiter runter. Das haben SPD und Union beim Jobgipfel ja auch schon beschlossen. Die Körperschaftssteuer soll von heute 25 auf 19 Prozent sinken. Sie müssen bedenken, dass wir im internationalen Steuerwettbewerb stehen und andere Länder weit geringere Sätze haben.

Würden Sie sich wünschen, dass Schröder weiterregieren könnte?

Was ich mir wünsche, ist zweitrangig. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass der Kanzler in der eigenen Partei auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Eine konsequente Fortsetzung der Reformpolitik würde immer schwieriger. Daher ist es ein guter Schritt ist, Neuwahlen anzustreben.

Können Sie sich vorstellen, dass die Unternehmer über einen Wahlsieg der Union im September so erfreut sind, dass sie mal ordentlich investieren und damit das erreichen, was Rot-Grün nicht vergönnt war – Wachstum?

Es wird zu wenig Politik gemacht in diesem Land. Stattdessen gibt es zu viele Vorhaltungen, Appelle, runde Tische und Kommissionen. Das widerspricht der sauberen Aufgabenverteilung. Die Politik hat Gesetze zu machen, die Wirtschaft hat zu wirtschaften.

Ist die Hoffnung der Union auf Optimismus und Wachstumseffekte also unbegründet?

Die Politik soll vernünftige Rahmenbedingungen bieten. Dann investiert die Wirtschaft auch. Unternehmensentscheidungen müssen sich rechnen.

Das klingt sehr skeptisch gegenüber dem, was mit der Union kommen könnte.

Es ist noch nicht bekannt, wie das Wahlprogramm aussieht. Die Union steckt mitten in einem Findungsprozess – was angesichts des vorgezogenen Wahltermins auch kein Wunder ist. Ich gehe aber davon aus, dass deutliche Reformakzente sichtbar werden.

Was sollte die Union denn dringend tun?

Die öffentlichen Haushalte sanieren, den Arbeitsmarkt weiter reformieren, die sozialen Sicherungssysteme in den Griff bekommen und nicht zuletzt die Gewinnsteuer für Kapitalgesellschaften weiter senken …

also für die Banken in Ihrem Verband …

… nicht nur für die. Auch der Mittelstand braucht niedrigere Steuern. Wir plädieren dafür, dass sich Personengesellschaften wie Körperschaften besteuern lassen können.

Die Union will den Kündigungsschutz für Beschäftigte lockern und gegen die Gewerkschaften untertarifliche Bezahlung durchsetzen. Ist Deregulierung der richtige Versuch, mehr Wachstum zu erreichen?

Das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft ist ganz wesentlich von langfristigen Faktoren abhängig wie Forschung und Bildung. Aber auch die Flexibilität des Arbeitsmarktes dürfen wir nicht vernachlässigen. Es ist nicht unsozial, den Kündigungsschutz zu lockern. Wir haben viel zu lange eine Politik für Arbeitsplatzbesitzer gemacht. Das werden wir uns so nicht mehr leisten können. Deshalb war auch Hartz IV trotz aller Unzulänglichkeiten von der Richtung her absolut richtig. Das muss weitergehen.

Freuen Sie sich auf Frau Merkel, weil sie die bessere Schröder sein wird?

Zunächst muss sie erst einmal gewählt werden und dann auch die Unterstützung der eigenen Partei für durchgreifende Reformen bekommen. Zum Beispiel für die Kopfpauschale zur Sanierung des Gesundheitssystems, die der rot-grünen Bürgerversicherung allemal vorzuziehen ist.

Die Deutsche Bank steigert ihren Gewinn, reduziert aber gleichzeitig ihre Stellen. Ist das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent sozialverträglich?

Deutschland hat in den vergangenen Jahren von der Globalisierung profitiert, auch von der Osterweiterung. Der Prozess, den Sie ansprechen, geht von den Internationalen Finanzmärkten aus. Daran kann man nicht viel ändern. Die Globalisierung ist ein Faktum. Wir diskutieren ja auch nicht, ob wir die Schwerkraft gut finden oder schlecht.

25 Prozent Gewinn sind also ein Gesetz der Natur?

Nein, aber im Moment erleben wir mit dem starken Wachstum in Asien eine besondere weltwirtschaftliche Situation. Die Deutsche Bank beispielsweise konkurriert mit anderen Investoren um Kapital. Diese überlegen, ob sie ihr Geld lieber in anderen Banken oder in China oder Indien mit Aussicht auf hohe Renditen investieren – oder ob sie es unseren Banken geben. Manager, die diese Überlegungen anstellen, leiten etwa den Pensionsfonds der US-Eisenbahner oder der Staatsangestellten von Kalifornien.

Die Rentner in den USA wissen nichts von den Wünschen ihrer Fondsmanager, und sie erwarten auch keine Rendite von 25 Prozent.

Aber natürlich tun sie das. Es geht um ihre Altersversorgung. Wären Sie zufrieden, wenn sie nur 6 oder 7 Prozent Zinsen pro Jahr erhielten, an sich aber auch das Dreifache bekommen könnten?

Ja, 7 Prozent reichen mir. Für Nichtstun gar nicht schlecht.

Das muss daran liegen, dass Sie keine Zeit haben, sich um Ihr Geld zu kümmern. Oder Sie verhalten sich nicht wie ein aufgeklärter Wirtschaftsbürger. An denen aber muss sich die Deutsche Bank orientieren. 25 Prozent Gewinn vor Steuern sind nicht unrealistisch, selbst manche Sparkassen erreichen diesen Wert schon heute – und die internationale Konkurrenz allemal.