BEIM HAUSARZT
: Schlafhygiene

Ich bin froh, dass er das Thema „Sex haben“ nicht anspricht

Die Freundin empfahl mir neulich den jüngeren Kollegen unseres Altkreuzberger Hausarztes: „Der ist sexy“, meinte sie. Der DJ Kröch und ich finden ja, je mehr die Leute über Sexyness und Sexhaben reden, desto weniger will man etwas damit zu tun haben. Aber nett ist er. Und Hauptsache, er sieht gut aus. Also lass ich mir gerne vom „jungen Assistenten“ mein Blutbild interpretieren. Er erzählt mir wieder von den neuesten Burnout-Fällen. Diesmal von einem Architekten, der echt keine Lust mehr hatte und nun gelassener ALG-I-Empfänger ist.

Dann fragt er mich, ob ich wisse, was Schlafhygiene sei. Ich bin auf der richtigen Fährte, als ich an die Pizzaflecken auf meinem weißen Laken denke: Nichts anderes im Schlafzimmer tun außer schlafen! Kein Essen im Bett, kein Fernseher, nicht telefonieren, nicht lesen. Der Körper wird da konditioniert!

Ich schaue ihn ratlos an, bin aber froh, dass er das Thema „Sex haben“ nicht anspricht. Und wage auch nicht, ihm von meiner Einzimmerwohnung mit Kochklo zu erzählen. Eine Kollegin behauptet, sie habe mich danach auf der Straße durch die Morgensonne schlendern sehen und ich hätte einen verliebten Eindruck gemacht.

Am Abend – ich hatte mich gerade gemütlich in meinem Bett eingerichtet – ruft meine Freundin an: „Und?“, fragt sie. „Wie geht es?“

„Ich war beim Arzt“, sage ich. „Blutbild ist toll. Besonders die Leber ist brillant.“ Dabei schau ich mich um. Der Fernseher läuft ohne Ton auf meinem Dienst-Laptop, ich hatte gerade eine E-Mail angefangen. Daneben liegt das fette Buch, das ich bald wieder von vorne anfangen muss, ein Teller mit belegten Brötchen nebst Krümeln, ein Bier auf der Bettkante und Schokolade. Der Aschenbecher müsste geleert werden, der Tabakbeutel gefüllt.

„Süß ist der, oder?“, sagt sie. „Hast du schon mal was von Schlafhygiene gehört?“, frage ich.

ANTONIA HERRSCHER