Die Hackordnung unter der Latte bleibt

DFB-TEAM Joachim Löw streicht ter Stegen, Sven Bender, Cacau und Draxler aus dem EM-Kader

Bundestrainer Joachim Löw hat am Montag seinen 23 Spieler umfassenden Kader für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine bekannt gegeben. Dabei hat Löw Torwart Marc-Andre ter Stegen, die Mittelfeldspieler Sven Bender und Julian Draxler sowie Stürmer Cacau aus dem Kader geschmissen. Sie mussten noch gestern Abend abreisen.

Noch am Pfingstsonntag hatte ter Stegen zu jenen Fußballprofis gehört, die mit einer Hubschrauberflotte in die Luft gingen, um ein bisschen am Fluidum eines Formel-1-Events teilzuhaben. Das mondäne Monte Carlo statt des beschaulichen Tourettes, graue Rennpiste statt grünen Rasens: Für die meisten deutschen Nationalspieler mag das ja eine nette Ablenkung gewesen sein, doch einem stand am Tag nach einer historischen Demütigung nur bedingt der Sinn nach solchem Vergnügen: ter Stegen, dem sein Länderspieldebüt beim 3:5 gegen die Schweiz gründlich missriet.

„Es ist natürlich eine Abwechslung, aber man denkt trotzdem über das Spiel nach. Es ist bitter, dass ich fünf Gegentore kassiert habe – ich habe viel dazu beigetragen, dass es passiert ist“, beschied er. So schnell schüttelte einer den anderthalbstündigen Albtraum im St.-Jacob-Park zu Basel eben nicht aus den Kleidern. Als dort am Samstagabend der schwarz-rot-golden lackierte Mannschaftsbus abfahrbereit wartete, war der blonde Tormann wie der Ritter von der traurigen Gestalt erschienen: Mit geröteten Augen zog der 20-Jährige seinen grellgelben Rollkoffer. Jetzt war Kofferpacken angesagt. Tim Wiese und Ron-Robert Zieler haben ohne eigenes Zutun ihre Positionen gefestigt.

„Es war nicht mein bester Tag, das tut schon weh“, flüsterte ter Stegen, als er aus der Kabine schlich, „mit allem anderen möchte ich mich nicht beschäftigen.“ Selbstkritisch sprach einer, der all seine Qualitäten wie mutiges Mitspielen und souveräne Ausstrahlung zu verbergen wusste, von „situationsbedingt falschen Entscheidungen“. Ter Stegen hat in den meisten seiner 40 Bundesligaspiele einen exzellenten Eindruck hinterlassen – und nie mehr als zwei Gegentore kassiert. Seine Flatterhaftigkeit zur Unzeit hat den Trainerstab dazu animiert, die Hackordnung unter der Latte nicht zu verändern: Manuel Neuer, dahinter Wiese, dann Zieler. Direkt nach der Nominierung des vorläufigen Aufgebots hatte Bundestorwarttrainer Andreas Köpke noch die Reihenfolge hinter Neuer offengelassen. Auch Joachim Löw hegt ein Faible für ihn. Der Bundestrainer zeigte sich nach den Trainingseinheiten im südfranzösischen Tourettes angetan von dem, was ihm der Prototyp des selbstsicheren Überzeugungstäters zwischen den Pfosten offerierte. „Er muss irgendwann ins Tor“, begründete Löw hernach die Nominierung des Novizen, „aber in der einen oder anderen Situation sah er unglücklich aus.“ Das Zögern vor dem 0:2 oder die Fehleinschätzung vor dem 2:4 ändern allerdings nichts an seiner grundsätzlicher Überzeugung von dem 1,89-Meter-Mann: „Er hat gute Anlagen. Er ist geknickt, aber er steckt das weg.“ Irgendwann, wenn ter Stegen wieder daheim ist – schon gestern Abend. (mit dapd)

FRANK HELLMANN