Die Entbarbarisierung der Welt

Elmar Goerden, der neue Intendant des Bochumer Schauspielhauses, stellt sein Programm vor. Im Gegensatz zum Vorgänger baut er auf sein Ensemble: Teure Gastschauspieler wird es nicht geben

AUS BOCHUMPETER ORTMANN

Ein abgewetzter kleiner Tisch im schwülheißen Malersaal. Ein Stuhl aus der Requisite. Von hier aus startet Elmar Goerden seine Intendanz am Bochumer Schauspielhaus, mächtig beleuchtet von einem einzelner Scheinwerfer. „Der Tisch wackelt“ sind seine ersten Worte. Sein Stuhl steht stabil. Die vorbereitete Rede hat er entsorgt.

„Ich glaube an die Inszenierung von Sinn in einer sinnentleerten Welt“. Goerdens Theaterphilosophie ist politischer als erwartet. Er will die Bilder nicht denen überlassen, die damit etwas verkaufen wollen, glaubt an eine Barbarisierung der Welt und hat einen ersten Spielplan, in dem es junge Autoren schwer haben. „Bei mir wird es keine Nacht der jungen Autoren geben“, sagt Goerden. Heute werde das Neue nämlich schneller alt, als das Alte. Und so startet er im Oktober mit zwei eigenen Inszenierungen von Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ und einem Klassiker – der Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang von Goethe.

Sein Programm wird sich erheblich vom Theater des nach Zürich wechselnden Matthias Hartmann unterscheiden. Goerden setzt dafür aufs eigene Ensemble und auf wenige Erstaufführungen. „Publikumswirksame Gastschauspieler wird es nicht mehr geben“, sagt er. Das sei hier ein gut besuchtes Haus – eine Verpflichtung. Dennoch könne man dem Bochumer Publikum einiges abverlangen. Es sei strapazierfähig und lustig. „Aber wir wollen denen nicht die Welt erklären“, lacht Goerden.

Einen dicken Fisch hat er auch noch an der Angel. Botho Strauß habe nach dem Abbruch der Berliner Proben zu seinem neuen Stück „Schändung“ angerufen und gefragt, ob er das Stück nach Shakespeares „Titus Andronicus“ nicht in Bochum mit Bruno Ganz inszenieren wolle. Goerden griff zu, will aber mit seinem eigenen Ensemble arbeiten. Premiere hat der Strauß im Frühjahr 2006.

Dem Kinder- und Jugendtheater räumt der neue Intendant alle Steine aus dem Weg. „Das ist die wichtigste Investition in die Zukunft“, sagt er. Gerade das Junge Theater habe sich in den letzten Jahren am Haus bewährt. Irgendwann würden die alten Besuchergenerationen auch mal wegsterben. Ein Theater, das darauf nicht reagiere, werde Probleme mit der Auslastung bekommen. Am liebsten würde er dem Bereich ein ganzes Haus zus Verfügung stellen und hat dafür extra die Regisseurin Martina van Boxen vom Theater Hannover abgeworben. Vielfalt auch im restlichen Regieteam: Armin Holz, „die mythische Figur des Theaters“, so Goerden, konnte er fest ans Haus binden, obwohl der keine Stadttheaterstrukturen mag. Mit Benjamin Walther komme ein Kollege, „der eigentlich Frank Castorf näher steht als mir“ und auch der Regisseur Dieter Giesing sei keine Erfindung von Matthias Hartmann, der habe schon vorher hier inszeniert. Goerden fürchtet keine Konkurrenz im eigenen Haus.