fußball für alle
: Wir brauchen die WM-Partymeile

Kapitalismuskritik hin oder her: Leider muss man der hiesigen Industrie- und Handelskammer einmal Recht geben. Die Straße des 17. Juni sollte, wie geplant, während der Fußball-Weltmeisterschaft (der Männer) im kommenden Jahr zu einer WM-Partymeile werden. Zugegeben, es wird sicherlich wieder ziemlich eklig nationalistisch, was wir in rund einem Jahr in Deutschland erleben werden, wenn „wir“ gegen die anderen Fußballnationen spielen. Dennoch drängt die IHK, wenn auch aus falschen Gründen, zu Recht. Fußball gehört allen – was zu betonen ist angesichts der Tatsache, dass bestenfalls nur etwa die Hälfte der WM-Karten im offenen Verkauf erworben werden können.

KOMMENTAR VON PHILIPP GESSLER

Es gehört zu den faszinierenden Möglichkeiten dieses Sports, Menschen über die Grenzen von Klassen, Bildungsniveaus und Nationen zu verbinden, auch wenn dies, sorry, nun etwas pathetisch klingt. Wer jemals im Ausland eine WM im Fernsehen erlebt hat, wird dies bestätigen. Die dreisten Versuche des Großkapitals aber, etwa im neuen Münchner Fußball-Stadion, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft rund um den grünen Rasen der „Allianz-Arena“ zu etablieren, zeigt, wie gefährdet diese grenzüberschreitende Kraft des Fußball ist.

In einer Gesellschaft, die immer mehr Arme produziert, kommen die Events vor Großbildleinwänden einer Rückeroberung des klassenlosen Spiels nahe – virtuell natürlich, aber so ist das in der Informationsgesellschaft. Dass dabei öffentlicher Raum, gar eine Verkehrsachse der Stadt, gesperrt wird, mag Fußballfeinde betrüben. Aber wer sich darüber beklagt, hat nicht recht verstanden, welche gesellschaftliche Kraft Fußball entfaltet, im Guten wie im Bösen. Die WM wird Fühlen und Denken der Gesellschaft ein paar Wochen im Sommer 2006 stark prägen. Schön, wenn eine Teilhabe an diesem großen Fest einigermaßen demokratisch möglich ist.