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: Manu-Mania in San Antonio

Vor der Entscheidung in der NBA feiern die amerikanischen Medien den Argentinier Manu Ginobili als ersten echten Basketball-Superstar aus dem Ausland

Wenn Dirk Nowitzki auch nur ein klein wenig eitel ist, dann kann es ihm gar nicht gefallen, was er derzeit in den amerikanischen Medien so zu sehen bekommt. Die NBA wirbt im Fernsehen für das Finale der San Antonio Spurs gegen die Detroit Pistons mit einem Spot, indem Manu Ginobili und Tony Parker über die kulturellen Unterschiede ihrer Herkunftsländer flachsen. Ginobili ist Argentinier, Parker Franzose. Zwei der wichtigsten Sportmagazine der USA, ESPN Magazine und Sports Illustrated, haben mit Manu Ginobili aufgemacht. Und die amerikanischen Tageszeitungen, von der bunt bebilderten USA Today bis zur seriösen New York Times, überschlagen sich mit Lob für den wendigen Argentinier.

Ginobili nimmt den Platz ein, der einst für Nowitzki reserviert schien. 2002 war Nowitzki der erste Spieler, der nicht durch das amerikanische High-School- und College-System gegangen war, der es in das All-Star-Aufgebot der NBA schaffte. Nowitzki war auf dem besten Weg dazu, der erste ausländische Superstar der NBA zu werden. Doch daraus wurde bisher nichts. Nowitzkis phasenweise brillantes Spiel ist zu inkonstant und sein Team, die Dallas Mavericks, kommt über die Vorrunden der Playoffs am Ende doch nie hinaus. Bei Ginobili liegt der Fall anders: Der argentinische Olympiasieger ist dabei, zum zweiten Mal seit 2003 mit den San Antonio Spurs die Meisterschaft in der NBA zu gewinnen. 3:2 führen die Spurs nach der fünften von sieben möglichen Finalpartien. Und mehr noch – Ginobili ist neben Tim Duncan, der in der fünften Finalpartie wieder einmal Topscorer seines Teams war, der wichtigste Spieler des Titelanwärters San Antonio.

Seit Beginn der Finalserie ist in den USA ein wahre Manu-Mania ausgebrochen. In San Antonio, das eine große Spanisch sprechende Bevölkerung hat, werden Kinder mit Vornamen Manu getauft, und die Trikots mit Ginobilis Namen sind so etwas wie die Uniform für die Jugendlichen der Stadt. Sein persönlicher Stil, die halblangen Zottelhaare, die Abwesenheit von Piercings und und Tattoos und die legere, beinahe achtlose Kleidung lösen unter den NBA-Fans die Goldketten und die Rapper-Outfits ab. Sports Illustrated nennt ihn die „Cojones“, die Eier der Spurs, Larry Brown, Coach des Final Gegners Detroit, sagte schon vor der Endspielserie, dass Ginobili viel eher die Sensation des Jahres ist als der junge Dwayne Wade aus Miami oder der zum MVP gewählte Steve Nash von den Phoenix Suns.

Lob für Ginobilis Spielweise geht von „unorthodox“ (USA Today) bis „unmöglich zu stoppen“ (ESPN). Die Art und Weise, wie der 1,95 Meter kleine Ginobili sich ungeachtet körperlich überlegener Verteidigungsblöcke artistisch zum Korb durchwuselt, seine raumgreifenden Schritte und unglaublichen Sprünge bringen Gegner, Trainer und Kollegen ins Schwärmen. Mehr als einmal sind Vergleiche zu Michael Jordan gezogen worden. Der Pressesprecher von Finalgegner Detroit Pistons gab hinter vorgehaltener Hand gar zu, dass Ginobili sein neuer Lieblingsspieler sei. Und Mannschaftskamerad Brent Barry gesteht, dass er Ginobili manchmal wie ein Fan dabei zusieht, wie er nach dem Mannschaftstraining seine Manöver einübt.

Ginobilis Durchbruch kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Nachdem im vergangenen Jahr die Einschaltquoten des Finales so schlecht waren wie schon lange nicht mehr, haben jeweils 11 Millionen Amerikaner die ersten Finalspiele in diesem Jahr gesehen. Was aber beinahe noch wichtiger ist, der weltweite Vertrieb der NBA ist auf einem absoluten Höhepunkt – mehr als 100 Millionen Menschen schauen weltweit Ginobili dabei zu, wie er zum Korb fliegt und dabei in immer neuen Variationen den Ball durch die drei Dimensionen wirbelt. „Er dürfte der erste Ausländer der NBA werden, der ganz groß vermarktet wird“, schreibt deshalb die New York Times und denkt dabei an Shaquille-O’Neal -hafte Ausmaße. ESPN Magazine findet des auch: „Er ist derzeit der wichtigste Spieler der Welt.“

Bei all dem wirkt Ginobili auch noch sympathisch und beinahe provokant bescheiden. „Ich muss nicht 20 Punkte in einem Spiel machen, um mich gut zu fühlen“, sagt er und meint damit, dass für ihn nur das Mannschaftsergebnis zählt und nicht seine Einzelstatistik. Nach dem Olympiasieg mit Argentinien im vergangenen Jahr fuhr der Multimillionär in Athen mit einem Linienbus an den Strand – für seine status- und konsumorientierten amerikanischen Kollegen undenkbar. Ginobili ist eben nicht nur der erste nicht-amerikanische NBA-Superstar, er ist auch ein sehr unamerikanischer Star. Und so erweitert Ginobili sowohl das orthodoxe Basketball-Vokabular – als auch das amerikanische Verständnis davon, was es bedeuten kann, ein Star zu sein. SEBASTIAN MOLL