Mercosur folgt dem Brüsseler Vorbild

Südamerikas Staatschefs beschließen die Einrichtung eines Strukturfonds zur Entwicklungsfinanzierung

PORTO ALEGRE taz ■ Das südamerikanische Wirtschaftsbündnis Mercosur richtet einen Strukturfonds ein. Nach dem Vorbild der EU wollen die großen Vollmitglieder Brasilien und Argentinien Entwicklungsprojekte finanzieren, die vor allem den Partnerstaaten Paraguay und Uruguay, aber auch strukturschwachen Grenzgebieten in den eigenen Ländern zugute kommen. Nach der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente werden dafür voraussichtlich ab 2006 jährlich 100 Millionen Dollar bereitgestellt.

Mit diesem Projekt, das die vier Staatschefs vorgestern in der paraguayischen Hauptstadt Asunción auf den Weg brachten, wollen sie der chronisch siechen Zollunion auf die Sprünge helfen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva räumte ein „gewisses Unbehagen“ ein. „Unsere Anstrengungen haben bisher keinen echten Nutzen gebracht.“ Es fehle der politische Wille, von einer virtuellen Regionalunion zu einer realen Union zu kommen, beklagte Gastgeber Nicanor Duarte.

In den letzten Monaten war die Kritik an der Regierung Lula immer lauter geworden. Während sie am lautesten die Integration Lateinamerikas beschwöre, verhindere sie in der Praxis einen Abbau der regionalen Asymmetrien, heißt es vor allem in Buenos Aires. Die Argentinier wollen sich notfalls durch unilaterale Sonderzölle und Quoten gegen die Überschwemmung ihres Marktes mit billigeren brasilianischen Schuhe, Kleidern und Waschmaschinen wehren.

Durch einen „Energiering“ soll zudem die Versorgung mit Erdgas sichergestellt werden – unabhängig von der Lage im Krisenland Bolivien. Die Interamerikanische Entwicklungsbank wird den Bau einer Pipeline von Peru nach Chile finanzieren – wie Venezuela gehören die drei Andenstaaten dem Mercosur als assoziierte Mitglieder an.

Vor dem Tagungshotel forderten Demonstranten eine „Integration ohne Armut und Ungleichheit“. Die Mercosur-Agenda werde von privaten Wirtschaftsinteressen bestimmt, analysierte der venezolanische Staatschef Hugo Chávez und appellierte: „Diesen Ökonomismus müssen wir hinter uns lassen.“ Nur durch eine „notwendige Revolution“ könne die „soziale Atombombe“ in der Region entschärft werden.

Zu diesem Zweck regte Chávez die Gründung einer „Bank des Südens“ an. Südamerika solle seine internationalen Reserven nicht länger in den Banken des Nordens bunkern.

GERHARD DILGER