SOUNDTRACK

Kaum eine Platte hat letztes Jahr so große Worte provoziert: Für die einen haben die vom Burgenland über Wien nach Berlin gezogenen Ja, Panik um Sänger und Texter Andreas Spechtl mit ihrem vierten Wurf „DMD KIU LIDT“, Akronym für: „Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit“, die wichtigste deutschsprachige Platte seit Blumfelds „L’Etat Et Moi“ gemacht – was ihnen laut Spex fünf Jahre zuvor mit „The Taste And The Money“ schon mal gelungen war. Wahlweise wird hier wortreich der Pop neu erfunden, der Rock zerstört, das autonome Subjekt abgeschafft, Falco endlich mit John Cale und John Cale mit Lou Reed versöhnt, ein musikalisch-intertextueller Autorenpopbastard im Bandformat geboren usw. usf. In Szene-Kneipen, Internet-Foren und Feuilletons freut man sich über Überreichtum an Pop-Zitaten, Reduktion in Sachen Instrumentierung, Sprachunfassbarkeit, trotzigen Pathos oder nüchterne Kampfansagen. Und an dem einen oder anderen kulturwissenschaftlichen Institut steht demnächst sicher eine entsprechende Abschlussarbeit an. Die anderen wiederum geben sich nicht minder wortreich genervt vom mit Fremdwortschatz, Buchwissen und Plattensammlung protzenden Schlaumeier, der partout einen österreichischen Jarvis Cocker miemen will, der sein selbstverliebtes School Shooting in den Ruinen der Hamburger Schule veranstaltet. Für welche Seite man sich letztlich entscheidet, ist aber zumindest heute Abend einmal vollkommen egal. In der Roten Flora geht es nämlich vor allem um die so zerbrechliche Solidarität gegen den gemeinsamen Feind: Zur Mobilisierung gegen den Nazi-Aufmarsch am Sonntag spielen Ja, Panik und die Elektropunks Supershirt ein Soli-Konzert für Antifa-Gruppen. Und am Montagabend kann man sich dann ja in der Kneipe des Vertrauens wieder nach Herzenslust über all die popkritischen Stilfragen in die Haare kriegen.

Do, 31. 5., 19 Uhr, Rote Flora, Schulterblatt 71MATT