Die Kunst der Nachbarschaft

STADTTEILKULTURFEST Mit dem Projekt „Altona macht auf!“ ruft die „theater altonale“ an zwei Abenden dazu auf, sich endlich mit gutem Gewissen weit aus dem Fenster zu lehnen und das eigene Balkontheater zu bespielen

„Altona macht auf!“ will dem Ausdruck verleihen, was sonst hinter der Fassade bleibt

VON ROBERT MATTHIES

Einmal all die Sehnsüchte und Wünsche aus dem offenen Fenster herausschreien, laut das lange unterdrückte Liebeslied anstimmen, Tanzschritte zeigen, von denen bislang niemand wusste, wie oft man sie schon im Schutz der eigenen vier Wänden geübt hat, oder einfach mal den Gitarrenverstärker auf den Balkon stellen, bis zum Anschlag aufdrehen und für die Nachbarn hemmungslos in die Saiten hauen. Endlich mit gutem Gewissen ganz weit aus dem Fenster lehnen sollen sich alle verkappten und verkannten Altonaer Künstler_innen am zweiten und dritten Juni-Wochenende im Rahmen der „theater altonale“. Die Stadtteilperformance „Altona macht auf!“ ruft zur Aufführung im eigenen „Sehnsuchtsfenster“ und „Balkontheater“ auf und will all dem Ausdruck verleihen und ein Gesicht geben, was im Alltag sonst hinter der Fassade versteckt bleibt.

Mitmachen können bei der kollektiven Nachbarschafts-Kunst-Aktion alle, die ihrer Kreativität freien Lauf lassen wollen. Wer Zweifel hat, dass die Zurschaustellung des unbekannten Talents wirklich zum Erfolg wird, holt sich Unterstützung bei einer der elf Altonaer Künstler_innen, die für den Schritt aus der Anonymität als Coaches mit Rat und Tat zur Seite stehen: Wer tanzen will, wendet sich zum Beispiel an die Choreografin Yolanda Gutiérrez, wer eine Performance im Sinn hat, lässt sich von Schriftsteller und Theatermacher David Chotjewitz beraten, Musiker_innen finden bei Knarf Rellöm Hilfe und junge Literaten lassen sich von Poetry Slammer Moritz Neumeier unter die Arme greifen.

Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wer noch eine Idee zum Mitmachen oder einen ruhigen Balkon sucht, findet mögliche Mitstreiter und Ideen auf der Internetseite www.altona-macht-auf.de in der „Börse der Sehnsüchte“: Ein Kochtopf-Kochlöffel-Konzert, Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ als Outdoor-Kino auf der Hinterhofwand, öffentliches Knutschen mit Ukelelenbegleitung oder ein gemeinsam verfasster Krimi.

Einen ersten Eindruck vom freigesetzten Kreativ-Potenzial der Altonaer_innen kann man sich morgen Abend schon mal im Thalia in der Gaußstraße machen. Ab 20 Uhr zeigen die Fensteraufmacher_innen, woran sie arbeiten und wie sie proben, durch die Show führen die Coaches Knarf Rellöm und Moritz Neumeier.

Möglichkeiten zum Mitmachen gibt es im Rahmen der diesjährigen Altonale auch sonst jede Menge: Auf dem Ottenser Marktplatz, dem Kemal-Altun-Platz, im Innenhof des Stadtteilzentrums Motte, auf dem Alma-Wartenberg-Platz, dem Kemal-Altun-Platz und dem Altonaer Balkon versammeln sich etwa zum Auftakt des Straßenfestes am Freitag, den 15. Juni alle musikalischen Talente Altonas zum gemeinsamen Musizieren. Abends erklingt dann an allen Orten dasselbe Lied, auf dem Platz der Republik gibt es anschließend zum ersten Mal eine Altonaer Massenkaraoke.

Aber auch für alle, die lieber selbst im Hintergrund bleiben, gibt es bis Mitte Juni jede Menge Gründe, einen Abstecher an die Elbe zu machen. Die „kunst altonale“ bringt Kunst in den Stadtraum und die Schaufenster des Stadtteils und zeigt Kunst aus dem Partnerland Russland, die „literatur altonale“ lädt zur literarischen Radtour, präsentiert ihre Writers in Residence oder recyclet Bücher. Dazu gibt es jede Menge Konzerte, Theaterprojekte, Filmabende über Stadtentwicklung, Filmkonzerte, Russische Filmtage in den Studio Kinos oder Kinder- und Jugendveranstaltungen zu erleben. Und zum Abschluss natürlich wieder ein großes dreitägiges Straßenfest rund um den Altonaer Bahnhof.

■ Do, 31. 5. bis So, 17. 6., www.altonale.de