Hand auf der Schulter

Verrätselte Skulpturen des japanischen Künstlers Katsura Funakoshi im Ernst Barlach Haus im Jenischpark

Es sind Blicke, die irritieren: Der Ausdruck der asketischen Figur ist zugleich vorwurfsvoll und ganz in sich versunken. Ruhig wie ein Kultbild einer unbekannten Religion, hat sie eine rätselhaft intensive Ausstrahlung. Doch trotz des überlangen Halses geht nichts Exotisches von ihr aus, der Realismus dieses Menschenbildes bewirkt die nachhaltige Verwunderung bei dieser Begegnung mit einer der Plastiken von Katsura Funakoshi. Zudem setzt der japanische Bildhauer seinen lebensgroßen Holzfiguren penibel polierte Marmoraugen ein. Das könnte einen puppenhaft kitschigen Effekt haben, ist hier aber die Ursache für die fast persönliche Wirkung dieser Figuren.

Denn ansonsten ist der Realismus durchaus gebrochen: Bei allen zwölf der zur Zeit im Ernst Barlach Haus ausgestellten Plastiken ist der Körper spätestens unterhalb des Bauchnabels abgeschnitten, die Halbfiguren erreichen erst auf einem Eisenständer Augenhöhe. Abgesehen vom feinstbearbeiteten Kopf ist dabei auch die Behandlung des Kampferholzes eher grob: Kleine Risse bleiben stehen, größere Fehlerstellen werden geflickt. Und dazu ist der Kopf noch meist sichtbar in den Körper eingesetzt, eine Technik ähnlich den römischen Porträtbüsten. Der Körper selbst ist oft auch in seinen Teilen fragmentiert. So hat der fast wie ein christlicher Heiliger wirkende Asket eine vom übrigen Zusammenhang ganz abgetrennte Hand auf der Schulter. Trotz der intensiv realistischen Ausstrahlung handelt es sich also eher um Typen oder Symbole – aber es bleibt offen wofür.

Der 1951 geborene Katsura Funakoshi wird gerade für diese meditative Unbestimmtheit seiner Figuren sehr geschätzt, es ist schwer, eine so große Anzahl seiner Arbeiten zusammenzubekommen, wie sie jetzt im Ernst Barlach Haus zusammen mit Arbeiten des Namenspatrons zum ersten Mal in Deutschland in diesem Umfang zu sehen sind. Die Kombination mit Ernst Barlach scheint ausschließlich dem Ort geschuldet, macht aber Sinn hinsichtlich der Art der Stilisierung und der ausschließlichen Darstellung menschlicher Figuren, der jeweiligen persönlich Lebenshaltung und des Bezuges zur Geschichte der Skulptur.

Wie Barlach hat auch Funakoshi sich mit der Plastik des Mittelalters seiner Kultur befasst. Und wie bei Barlach mischen sich bei Funakoshi Einflüsse von West und Ost. Denn trotz des deutlichen Bezuges zum japanischen Puppenspiel und zum No-Theater steht Funakoshi als Katholik und Sohn eines vor allem für Kirchenplastik berühmten Vaters auch in der Kunsttradition des Westens. Hajo Schiff

Di–So 11–18 Uhr, Ernst Barlach Haus, Baron-Voght-Str. 50a (Jenischpark); bis 24. Juli