Am Ende fehlen die Leitboys

Seit 2008 wird ein geschützter Radweg auf dem Tempelhofer Damm gefordert. Nun ist er da

Von Claudius Prößer

Saskia Ellenbeck strahlt mit der Herbstsonne um die Wette, als sie am Freitag um Punkt zwölf Uhr mittags zum Mikrofon greift, um den geschützten Radfahrstreifen auf dem Tempelhofer Damm einzuweihen. Ein paar Dutzend RadaktivistInnen haben sich um die grüne Verkehrsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg versammelt, und auch deren Parteifreundin, Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch, ist gekommen. Und strahlt mit.

„Ich freue mich über die vielen glücklichen Radfahrenden, die ich jetzt von meinem Büro aus vorbeifahren sehe“, sagt Ellenbeck, die vor ihrem aktuellen Job fast fünf Jahre beim ADFC Bundesverband, sprich: als Fahrrad-Lobbyistin tätig war. Ob es daran liegt, dass sie nur sehr vorsichtig der „Zivilgesellschaft“ dankt, die den nötigen Druck für dieses Verkehrsprojekt aufgebaut habe?

Tatsächlich hat der Radstreifen auf dem T-Damm, wie die Straße allgemein genannt wird, eine lange Vorgeschichte. Immerhin Jarasch nimmt Bezug darauf, als sie sagt: „Wir sehen schon an den Schildern, welchen langen Atem man haben muss.“

Das Schild, das sie meint, trägt Stefan Gammelien, der sich seit vielen Jahren in der ADFC-Ortsgruppe und beim Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg engagiert. „Gefordert vom Kinder- und Jugendparlament seit 2008“ steht darauf. Damals hatte dieses Gremium die dringende Forderung nach sicherer Radinfrastruktur auf dem T-Damm erhoben, nachdem eine 14-jährige Radfahrerin von einem Lkw totgefahren worden war.

Auf Google Streetview, wo die Zeit bekanntlich im Jahr 2010 stehen geblieben ist, lässt sich noch sehen, wie Autos damals – und tatsächlich bis vor Kurzem – den T-Damm dominierten. Für Fahrräder gab es keinen sicheren Raum, auch nicht oberhalb der Bordsteinkante neben dem Gehweg. Stattdessen säumten Kfz-Parkplätze die viel befahrene Straße, und vor ihrer Abschaffung fürchteten sich die Bezirkspolitik so sehr, dass bis 2017 erst einmal gar nichts passierte.

Dann – fünf Jahre ist das nun her – sammelten Rad-Bewegte Unterschriften für einen EinwohnerInnenantrag. Der verlangte geschützte Radstreifen zumindest im Rahmen eines Verkehrsversuchs und wurde schließlich auch vom Bezirksparlament angenommen. Was darauf folgte, war eine – zum Glück nicht ganz – unendliche Geschichte des Hin und Her zwischen Bezirk und Senat, von Beteiligungsworkshops, Planungen und Umplanungen und immer wieder Demonstrationen, mit denen die besagte Zivilgesellschaft drängelte.

Keine Fackeln und Mistgabeln

Beschleunigt und endgültig vom Charakter eines „Versuchs“ befreit wurde das Ganze dann aber durch die unerwartete Anordnung temporärer Busspuren Anfang 2021 – die BVG musste dringend die U-Bahn unter dem Damm sanieren. Seitdem gibt es am T-Damm keine Straßenparkplätze mehr.

Und obwohl die CDU im Vorfeld verbal den Aufstand geprobt hatte, erschienen am Ende keine BürgerInnen mit Fackeln und Mistgabeln vor dem Rathaus. In Tempelhof wird jetzt offenbar recht problemlos in Parkhäusern und in den Seitenstraßen geparkt, was im Übrigen seit Kurzem gebührenflichtig ist.

Während Stadträtin und Senatorin gutgelaunt ein rotes Bändchen in Stücke schneiden, diese als Schleifen um die Fahrradlenker binden und eine Runde drehen, ist die Meinung der AktvistInnen gespalten: Einerseits monieren sie, dass der Prozess so lange gedauert hat und die Breite der Radstreifen nach ihrer Auslegung nicht mehr dem Mobilitätsgesetz entspreche – ein Lastenrad darauf zu überholen sei praktisch unmöglich. Andererseits sind sie froh, dass ihr Engagement etwas bewegt hat.

Von Alt-Tempelhof bis zur Ullsteinstraße im Süden soll die geschützte Radverkehrsanlage führen. Tatsächlich ist der letzte Teil noch unfertig, weil die Brücke über den Teltowkanal mit dem darin liegenden U-Bahnhof saniert wird. Und auch weiter oben gibt es Abschnitte, an denen weder Poller noch die kleinen „Leitboys“ in den Asphalt geschraubt wurden, um Autos auf Abstand zu halten. Saskia Ellenbeck erklärt das: „Es gibt im Moment Lieferschwierigkeiten bei den Leitboys.“

Wäre ja auch gelacht, wenn am Ende mal alles reibungslos liefe.