Anleger fühlen sich abgezockt

Der Stopp der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau treibt Anleger auf die Barrikaden. Der rot-rote Senat will mit dem Ausstieg aus der Förderung mehrere hundert Millionen Euro sparen

VON RICHARD ROTHER

Anleger haben es in Berlin schwer, sehr schwer. Zwar müssen sie nicht – wie manch Kleinaktionär, der sich an einer Internetfirma beteiligte – um ihr ganzes eingesetztes Kapital fürchten, aber sie fühlen sich vom rot-roten Senat benachteiligt: Den einen Anlegern, denen des Rundum-sorglos-Fonds der Bankgesellschaft, bietet der Senat Abfindungen mit Teilverlusten an; den anderen, denen im sozialen Wohnungsbau, hat er nach 15 Jahren den Geldhahn zugedreht.

Darüber beklagen sich Letztere. Und zwar so gründlich, dass sie Gutachten in Auftrag gegeben haben – und Prominenz ins Rennen schicken, die ihre Interessen wahren soll. Zum Beispiel den früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP). Der Schutz von Anlegern komme in Deutschland zu kurz, so Baum. Betroffen sind nach Angaben der Anlegervertreter rund 15.000 Menschen zumeist aus den alten Bundesländern. Die haben ihr Geld zu Westberliner Zeiten im sozialen Wohnungsbau angelegt und dafür Steuervergünstigungen erhalten. Zudem sollen rund 15.000 Mitglieder von Berliner Wohnungsbaugenossenschaften betroffen sein.

Der Senat hatte 2003 beschlossen, die nach 1986 erbauten Sozialwohnungen nach Ablauf einer 15-jährigen Förderphase nicht länger zu subventionieren. Das Land wollte nicht mehr die Differenz zwischen billigen Sozialmieten und den teuren Kostenmieten tragen. Die Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau ist einer der größten Ausgabenposten des hoch verschuldeten Landes. Langfristig will Berlin durch den Ausstieg aus der Förderung mehrere hundert Millionen Euro sparen. Im Herbst entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über eine Klage von Wohnungsbauunternehmen gegen den Senatsbeschluss.

Nach dem nun vorgelegten Gutachten soll der Stopp der Anschlussförderung das Land Berlin teurer sein als eine Weiterzahlung. Zum einen falle der vom Senat verteidigte Anspruch des Landes auf Bürgschaften des Bundes in Höhe von 350 Millionen Euro weg; der Bund müsse diese Bürgschaften nicht leisten, hieß es. Außerdem habe der Senat bei der Berechnung 2003 geschönte Zahlen angesetzt. Bei den laufenden Kosten würden für Berlin deutlich höhere Risiken auflaufen als angenommen.

Der Sprecher der Finanzverwaltung, Matthias Kolbeck, widersprach den Anlegervertretern. Alle Berechnungen im Jahr 2003 hätten ergeben, dass der Landeshaushalt durch den Ausstieg deutlich entlastet werde. Auch die Bürgschaft des Bundes werde zum Tragen kommen. Zudem hätten die Anleger ihr investiertes Geld durch Steuervorteile inzwischen komplett zurückerwirtschaftet. Der Senat sei zuversichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Sinne entscheiden werde.

Zunächst einmal aber machen die Anleger unter dem Motto „Anleger angelockt und abgezockt“ mobil. In den nächsten Wochen sollen mehrere Informationsveranstaltungen stattfinden, u. a. in Hamburg, Frankfurt am Main und München.