Photovoltaikanlagen im Dutzend

Die Firma Biohaus in Paderborn hat ein Bürogebäude errichtet, das unterschiedlichste Varianten der Solartechnik auf dem Dach und an der Fassade nutzt. Den höchsten Ertrag bringt dabei ein zweiachsig nachgeführtes Sonnensegel auf dem Dach

VON BERNWARD JANZING

Für jeden Solarforscher wäre es das Paradies: Die Biohaus PV Handels GmbH in Paderborn hat ein Bürogebäude bezogen, das sich nicht einfach mit einer einzelnen Photovoltaikanlage begnügt, sondern ein ganzes Dutzend unterschiedlicher Technologien einsetzt. Diverse kristalline und auch amorphe Solarzellen, auf dem Dach und an der Fassade installiert, machen aus dem Bau mit 750 Quadratmeter Geschossfläche eine Art Laborhaus im Alltagseinsatz. „Wir zeigen was möglich ist“, sagt Bauherr und Firmenchef Willi Ernst.

Den höchsten Ertrag bringt naturgemäß ein zweiachsig nachgeführtes Sonnensegel auf dem Dach: Mit jährlich 1.150 Kilowattstunden je installiertem Kilowatt rechnet Ernst bei diesem Segel. Ein einachsig nachgeführter „Traker“ – dieser dreht das Modul zwar mit der Sonne von Ost nach West, aber passt sich nicht zugleich der Höhe des Sonnenstands an – liegt mit 1.000 Kilowattstunden schon etwas niedriger. Es folgen in der Ertragsstatistik eine aufgeständerte Flachdachanlage mit 800 Kilowattstunden und zwei dachparallele Kraftwerke mit 740 bis 750 Kilowattstunden je Kilowatt.

Vom Ertrag her deutlich geringer, architektonisch aber gleichwohl hochinteressant sind die diversen Solarfassaden. Eine nach Südost orientierte Kaltfassade (also ohne Dämmwirkung für das Haus), kommt auf immerhin 550 Kilowattstunden je Kilowatt. Eine von Südost nach Südwest streichende Rundfassade mit drei unterschiedlichen Modultypen erreicht einen spezifischen Ertrag von sogar 650 Kilowattstunden jährlich. Allein in dieser Fensterfront wurden drei verschiedene Solarzellen eingesetzt: transparente Zellen der Firma Sunways, Hochleistungszellen von Sunpower und große Achtzollzellen der Firma Q-Cells.

Eine „Krone“ auf dem Flachdach als optische Verlängerung der Spezialfensterfassade ist ein weiteres Element des vielfältigen Konzepts. Und Terrassengeländer aus bifacialen Modulen (deren beide Seiten der Stromgewinnung dienen) rundet das Spektrum schließlich ab; auch hiermit werden rund 550 Kilowattstunden jährlich pro Kilowatt erzeugt.

So hat der Paderborner Photovoltaik-Großhändler Biohaus mit insgesamt 17 Kilowatt zwar längst nicht die größte Solaranlage im deutschen Gewerbebau installiert – die vielfältigste dürfte es gleichwohl sein. Und anders als auf manchen Testständen der Solarforschungsinstitute liefern die Module zugleich den überwiegenden Teil des im Haus benötigten Stroms: 13.000 Kilowattstunden, und damit zwei Drittel des Bedarfs.

Entwickelt hatte das Projekt anfangs der Paderborner Architekt Franz-Josef Huxol, ein ausgewiesener Spezialist für Baubiologie und solares Bauen. Nach seinem Tod während der Planungsphase übernahm das Architekturbüro Völse & Rath aus Borchen das Projekt und verfolgte den Ansatz Huxols weiter.

Dazu gehört auch eine ganzheitliche Betrachtung der Energiebilanz. So dienen die Module der Rundfassade gleichzeitig als Sonnenschutz für die dahinter liegenden Büroräume. Denn mit transparenten Solarzellen, sowie mit Glasmodulen, bei denen zwischen den einzelnen Solarzellen noch Licht hindurch fällt, lässt sich die ins Gebäude einfallende Sonneneinstrahlung architektonisch optimieren. Dank weiterer bautechnischer Innovationen, wie einem Erdreich-Wärmetauscher, der im Sommer die eintretende Luft kühlt, war eine aktive Klimatisierung verzichtbar.

„Passiv-Bürogebäude“ nennt Firmenchef Ernst den im vergangenen Herbst eingeweihten Neubau daher. Das allerdings ist eine Frage der Sichtweise. Manche Vertreter der deutschen Passivhaus-Szene machen dieses imageträchtige Siegel einzig und allein an einem Jahresverbrauch an Heizenergie von maximal 15 Kilowattstunden fest. Da Biohaus auf 22 Kilowattstunden kommt, wäre das Kriterium somit nicht erfüllt. Dem hält Bauherr Ernst jedoch die Primärenergiebilanz entgegen: Da ein Teil der Wärme durch die Sonne bereitgestellt werde, könne man den rechnerischen Bedarf seines Gebäudes um den entsprechenden Anteil senken.

Doch am Ende ist die Frage, ob man nun bei dem Projekt von einem Passivhaus reden mag oder nicht gar nicht so sehr relevant. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Gebäude in Paderborn ein Lehrstück für moderne Architektur geschaffen wurde. Jeder Architekt, der ernsthaftes Interesse für die Nutzung von Solarenergie zeigt, findet hier nachahmenswerte Elemente. Und so innovativ die Vielzahl der Photovoltaikanlagen bei Biohaus auch ist, die Bauausführung war so sehr Standard, dass Nachfolger daran kaum scheitern dürften: „Sämtliche handwerklichen Leistungen“, kann Bauherr Ernst stolz berichten, „wurden von heimischen Firmen erbracht.“