Sonne satt in Vietnam

In Vietnam weckt die Stromversorgung fernab der Elektrizitätsnetze großes Interesse an der Solarenergie. Außer Wasserkraft spielen erneuerbare Energien bisher nur kleine Nebenrollen. Potenzial gibt es für solare Netze vor allem auf dem Lande

VON DIERK JENSEN

„Ich bin längst unter der Erde, wenn in Vietnam so viel Photovoltaikanlagen installiert sind wie heute in Deutschland“, feixt Le Hoang To in ihrem Büro in Ho Chi Minh City. Die Direktorin des Center for Renewable Energy and Rural Development (RERD) hat trotz zäher Pionierarbeit für erneuerbare Energien im staatssozialistischen Vietnam ihren Humor nicht verloren. Ganz im Gegenteil, beschäftigt sich doch die 60-Jährige mehr denn je mit nachhaltiger Energieproduktion.

Ihre Pionierarbeit begann im Jahr 1990, als sie am Physikalischen Institut der Universität von Ho Chi Minh City das Solarlab gründete und wo sich fortan Studenten und Dozenten praktisch mit Solartechnik auseinander setzen konnten. Neben der praktischen Arbeit klärten die Mitarbeiter im Solarlab die Bevölkerung über Sonnenenergie auf. Dabei mussten sie immer wieder gegen die Ignoranz des vietnamesischen Energieapparates opponieren, der für Solarenergie bis heute keine großen Sympathien zeigt.

Madame Soleil, wie Le Hoang To von ihren Mitstreitern liebevoll gerufen wird, kann trotzdem auf erste Erfolge verweisen. Bisher hat man sich vor allem auf dem Land engagiert. Also da, wo das staatliche Stromnetz nicht hinreicht und wo die Installation von Solarenergietechnik auch immer einen entwicklungspolitischen Aspekt hat. Wie im Mekongdelta, wo mit finanzieller Hilfe der französischen Stiftung Fondation Énergies pour le Monde (Fondem) in über 50 Dörfern Solarmodule auf Privathäusern, Schulen und Krankenstationen installiert wurden. Sie liefern Strom für Lampen, kleine Haushaltsgeräte, Kühlungsapparaturen, Radio und Fernseher. Das zweite Projekt begann dann im Jahr 2000, als man 550 so genannte Home-Solar-Systeme bis zu einer Größe von zwei Kilowatt in Dörfern verschiedener Provinzen installierte. Es sind dies solare Inselsysteme, deren Energiegewinn für die Versorgung eines Haushalts ausreicht. Während die eine Hälfte der Kosten wieder von Fondem finanziert wurde, beteiligten sich zu jeweils einem Viertel die Provinzen und die Betreiber selbst daran.

Aber nicht nur die Franzosen arbeiten mit dem Solarlab respektive mit RERD zusammen. „Wir haben in der bergigen Provinz Dak Lac Photovoltaikanlagen in der Größenordnung zwischen 50 Watt und 2 Kilowatt Leistung in mehreren Dörfern montiert, insgesamt 19 Kilowatt“, erzählt Frau To. Die Installation habe das Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen zu 60 Prozent finanziert. „Ohne die Unterstützung aus dem Ausland, hätten wir bisher auf dem Gebiet der Solarenergie wenig ausrichten können“, unterstreicht sie die internationale Zusammenarbeit. Die Solarexpertin, die in der 70er-Jahren in Budapest Transistorentechnik studierte und neben der ungarischen Sprache Englisch, Französisch und Russisch beherrscht, bewertet Projekte wie in Dak Lac als „unverzichtbare Vorarbeiten“, die früher oder später in „lukrative Unternehmungen“ führen.

Zumal die meteorologischen Bedingungen in Vietnam für die Erzeugung von Solarstrom äußerst günstig sind. „Wir haben hier in Ho Chi Minh City ungefähr 2.300 Sonnenstunden“, verweist To auf ein hohes Lichtquantum im Süden Vietnams. Nach ihren Berechnungen können mit einem Quadratmeter Standardsolarzellen auf den Dächern der südvietnamesischen Metropole oder auf ländlichen Reishütten täglich durchschnittlich 5,2 Kilowattstunden erzeugt werden.

Ertragswerte, die allerdings nicht viel hergeben, wenn der staatliche Energieversorger weiterhin voll auf Strom aus Kohle, Gas und Wasser setzt. Vor allem die Wasserkraft spielt mit einem Anteil von über 50 Prozent der gesamten Stromproduktion eine dominierende Rolle, mithin 29,8 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Dabei wird große Wasserkraft weiterhin massiv ausgebaut. So auch in der Region Quang Tri, südlich der früheren Demarkationslinie entlang dem 17. Breitengrad zwischen Nord- und Südvietnam, wo am Fluss Rao Quan, unweit der Grenze nach Laos, derzeit ein Wasserkraftwerk entsteht. Riesige Erdmassen werden in der bergigen Gegend bewegt, um den Fluss stauen zu können. Soll doch das zukünftige Kraftwerk in einer Höhe von 400 Meter über dem Meeresspiegel eine Leistung von 200 Megawatt haben, so der Bauleiter Trang vor Ort.

Mit diesem hohen Anteil an Wasserkraft verspüren die Energieverantwortlichen in der vietnamesischen Regierung im Rahmen der CO2-Minderungsverpflichtungen gemäß dem Kioto-Abkommen keinen allzu großen Zugzwang, ihren energiepolitischen Kurs zu ändern. Deshalb überrascht es auch nicht, dass die Windkraft im 82 Millionen Einwohner zählenden, äußerst dynamischen Land am Golf von Tonkin bisher überhaupt gar nicht zur Diskussion stand. Allerdings gibt es seit kurzem auch in Vietnam eine erste große Windkraftanlage. Laut Madame Soleil ist es eine 800-Kilowatt-Anlage vom spanischen Hersteller Gamesa, die seit Oktober 2004 auf der Insel Bach Long Vi, die weit draußen schroff aus dem Südchinesischen Meer hinausragt und über keine Netzanbindung mit dem Festland verfügt, Strom erzeugt. To hofft, dass diese Anlage ein Startsignal für den Windkraftausbau ist.

Allerdings hat Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Biomasse bei einem nationalen Stromüberschuss zumindest in der Nähe von vorhandenen Stromnetzen in Vietnam derzeit keine Chancen: Bei einem Strompreis von 500 Dong pro Kilowattstunde, umgerechnet 2,43 Cent, ist das wirtschaftlich nicht zu machen.

Daher fängt die vietnamesische Solarstory – wie in Deutschland vor zwei Jahrzehnten auch – im Kleinen an. Inklusive aller Widersprüche. Wie auf dem Bauernhof von Ngyuen Thi Luu. Die Bäuerin im Dorf Than Phu kultiviert Jackfrucht, Ananas, Ingwer und Pfeffer. Letzteres trocknet sie seit einigen Jahren mit einem kleinen Solartrockner, dessen Paneel von der Firma Solara AG in Hamburg stammt. Ist keine Pfefferernte, dann verstaut Luu ihn wieder in ihrer schattigen Küche. Und das bei 2.300 Sonnenstunden jährlich.