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Allmähliche Rückkehr ins Wasser

Eine Inszenierung von Ingeborg Bachmanns „Undine geht“ in der Regie von Christina Deinsberger an der Schaubühne

Von Valentin Wölflmaier

In Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ von 1961 darf Undine, in der mythologischen Vorlage vor allem banale Männerfantasie, sprechen, anklagen und gehen. An der Schaubühne wurde die Erzählung nun umgeschrieben und in der Regie von Christina Deinsberger auf die Studio-Bühne gebracht.

Am Beginn steht eine Begegnung: Carolin Haupt und Renato Schuch, nur schemenhaft zu erkennen hinter der milchig-durchsichtigen Stoffmembran, die vor der hinteren Bühnenwand aufgespannt ist: Sie gehen aufeinander zu, berühren sich und wenden sich ab. Vorne unterteilt eine weitere, in der Beleuchtung transparentere Membran die Bühne in einer geschwungenen Wellenlinie. Immer wieder schlüpfen Haupt und Schuch durch unsichtbare Schlitze im Stoff oder huschen das Stoffband entlang. Allein durch das Bühnenbild (Ulla Willis) ergeben sich so Abstufungen der Nähe, zwischen den beiden und zwischen ihnen und dem Publikum.

Die Textfassung von Marcus Peter Tesch, teilweise wohl während des Probeprozesses entstanden, beginnt ähnlich wie die Vorlage Bachmanns: Nur gibt es hier zwei Wassergeister und – erst mal – keinen Hans. „Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer! / Ihr Ungeheuer mit Namen! Mit diesem Namen, den ich nie vergessen kann. / Immer … / Immer wenn … / Immer wenn ich …“, heißt es da. Stotternd erst, dann in virtuoser Verschränkung, aufgeteilt auf die beiden Undinen, die vielleicht auch eine sind, die sich ergänzen und ins Wort fallen; oft getrieben von einer spielerischen Lust an Sprachmaterial, an Redensarten und Gesten, die von der Menschenwelt in ihr Wasserreich gelangt sind.

An- und Ausprobieren

Die Stimmung ändert sich rasch in diesem fragmentarischen An- und Ausprobieren, großartig begleitet von der mal sehnsüchtig verträumten, mal groovig treibenden Musik Bertram Burkerts. Bei Bachmann ist diese Undine noch eine gekränkte Geliebte. Sie entschließt sich, ins Wasser zurückzukehren. Aus heutiger Sicht hat das auch etwas ungut Resignatives – narrative Selbstbestimmung hin oder her. An der Schaubühne verkündet Undine der gesamten Menschheit ihren Abschied. Doch vor dem Abschied folgen zunächst weitere Anfänge. „Und anfangen tut es eigentlich immer: Mit einer ersten Begegnung.“ Hier erweitert die Inszenierung ihre Vorlage das erste Mal grundlegend, indem die Wassergeister Stück-im-Stück-mäßig Anbandelungen aus der Literaturgeschichte nachspielen, angefangen bei einer mittelalterlichen Ritterromanze bis zu Oscar ­Wildes Fischer, dem seine Udine ins Netz geht.

Dieser Abschnitt der satirischen Entlarvung übermäßig klischierter Lovestorys ist der lustigste des Abends, der sich ansonsten klaren Ausdeutungen häufig verschließt, auf einer sinnlich-emotionalen Ebene aber ununterbrochen bei der Stange hält. Das hat mit der poetischen Sprache Bachmanns genauso zu tun (auch „Malina“ findet übrigens Eingang ins Stück) wie mit dem präzisen und gut choreografierten Spiel der beiden Darsteller:innen. Zusammen mit Bühne und Musik entsteht so eine atmosphärisch-entrückte Unterwasserwelt, die man nur ungern verlässt. Umso tragischer macht das den Abschied im herzzerreißenden Schlussbild, bei dem zum ersten Mal die rosafarbenen Kostüme nicht mehr durch die Stoffmembranen schimmern.

Wer war Undine nun, die uns da zurücklässt? Ein zu oft geschundenes Liebeskonzept? Der verletzte Planet? Oder gar die Kunst, das Theater selbst? Schon Bachmanns Text gab hier Anlass zu allerlei Spekulationen. Letztlich ist es wohl die falsche Frage. Dass die Wassergeister gehen, ist eine Tragödie, wie sie es tun – zumindest an diesem Abend an der Schaubühne – ein Glück.

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