Bändchen für die Welt

Einfache Armbänder aus Silikon sind der neue Charity-Renner. Weltweit bekunden ihre Träger Solidarität mit Kranken, Armen und Benachteiligten. Der Erlös kommt einem wohltätigen Zweck zugute. Die Kehrseite des Erfolgs: Mit ihrer Beliebtheit sind die Modebändchen beliebig geworden

VON NATALIE TENBERG

Nicole Kidman hat eins, Cameron Diaz auch. Sogar der demokratische US-Senator John Kerry trug während seiner Präsidentschaftskampagne ein gelbes Silikonbändchen am Handgelenk. Sie wollen damit ihre Solidarität bekunden: mit krebskranken Menschen, der Dritten Welt oder gemobbten Kindern. Das alles mit einem Silikonarmband, das an den Ring eines Einmachglases erinnert, ähnliches Material, ähnliche Breite, nur sind sie viel teurer, 1 bis 3 Euro pro Stück. In den USA und Großbritannien sind diese Bänder für einen guten Zweck bereits zu einem Modeartikel geworden. Nach und nach setzen sich die Charity-Zeichenträger auch in Deutschland durch.

Die Idee, die zu Anfang hinter dem Armband stand, war genial und einfach: Die Bändchen werden von verschiedenen wohltätigen Organisationen verkauft und der Ertrag, ausgenommen Produktions- und Vertriebskosten, geht an einen wohltätigen Zweck. Der Vorteil: Das Bändchen bietet die Möglichkeit, ohne große Worte und dauerhaft auf einen Missstand aufmerksam zu machen – eine Art Aids-Schleifchen des neuen Jahrtausends.

Eines der ersten Bändchen, das an Handgelenken gesehen wurde, war das „Livestrong“-Bändchen von Lance Armstrong. Nike hatte das Konzept entworfen: Armstrong wollte nach seiner Heilung von Hodenkrebs 5 Millionen US Dollar für die Forschung gegen die Krankheit auftreiben. Dazu gab Nike 1 Million, die übrigen 4 Millionen sollten mit dem Erlös des Bandes erwirtschaftet werden. Die Farbwahl war nicht schwer: knallgelb wie das Trikot, das Armstrong bei der Tour de France so oft getragen hatte.

Seit ihrer Markteinführung haben sich mehrere Millionen dieser Bänder in allen Farben des Regenbogens verkauft, von 20 Millionen „Livestrong“-Exemplaren allein berichtet die Zeitschrift Absatzwirtschaft. Anteil an der Popularität der Bänder haben vor allem prominente Träger. Das „stand up, speak up“-Band von Nike beispielsweise, das den Träger als Gegner von Rassismus im Fußball auszeichnen soll, wird vom deutschen Spieler Christoph Metzelder getragen. Am 6. Februar 2005 beim Spiel der Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen trugen die Wolfsburger das Band. Nicht ohne Wirkung: Es kann zurzeit nicht geliefert werden. Ausverkauft. Auch der Handballverein SG Flensburg-Handewitt verkauft zurzeit Bänder als Solidaritätsbekundung mit Bundesliga-Profi Christian Berge. Der Norweger ist an Krebs erkrankt. Bisher wurden etwa 6.000 dieser Sorte abgesetzt, die 3 Euro pro Stück kosten. Die Erlöse gehen an ihn.

Weniger Erfolg hatte David Beckham als prominenter Träger des „beat bullying“-Bands. Es sollte ursprünglich Solidarität mit Gewalt- und Mobbingopfern an Schulen signalisieren. Doch wie der englische Guardian berichtete, haben sie das Problem eher verschärft. Es schaffte nicht nur Aufmerksamkeit für das Problem, sondern brandmarkte SchülerInnen, die es trugen – ein Erkennungszeichen für Schulrowdys, die diese Kinder nun erst recht als Opfer behandelten.

Nichts desto trotz haben sich die Bänder als Mainstream-Artikel etabliert – was der Aids-Schleife nie gelang.

Die Kehrseite des Erfolgs: Mit zunehmender Beliebtheit steigt ihre Beliebigkeit. Vom ideellen und edlen Ansinnen der Bänder ist häufig nur noch wenig zu spüren. Sie haben sich zu einem eigenständigen Produkt etabliert und folgen einer kommerziellen Logik. Schon kursieren bereits Fälschungen, die teuer verkauft werden, ohne dass der Erlös an einen wohltätigen Zweck entrichtet wird. Hauptsächlich werden diese an Straßenständen und auf Touristenmärkten in Asien verkauft – für weniger als die übliche Summe.

Hauptzweck der Bänder ist jedoch der Modeaspekt. Die so genannten verschiedenfarbigen „Power Bands“ beispielsweise sind frei von jeglicher politischen Konnotation und gelten als Sammel- und Tauschartikel für Schulkinder.

Bedenklich an den bunten Accessoires ist, dass tausende dieser Bänder in asiatischen Sweatshops gefertigt wurden, unter genau jenen schlechten Bedingungen, die sie verhindern möchten. Der englische Sunday Telegraph deckte Ende Mai auf, dass viele der Armbänder, auch die der britischen Oxfam-Organisation, aus zwei chinesischen Fabriken stammten. Die Tat Shing Rubber Manufacturing Company in der Nähe von Hongkong verlangt beispielsweise eine Kaution von neuen Angestellten, die den Betrieb angeblich dagegen versicherten, dass sie Geräte versehentlich zerstören könnten. Ein Verstoß gegen chinesisches wie auch internationales Recht.

Weiterhin berichtete der Sunday Telegraph, dass die Angestellten eine Sieben-Tage-Woche hätten, keinen Jahresurlaub, keine Versicherung und mangelhafte Sicherheits- und Gesundheitsstandards. In der zweiten Fabrik, der Fuzhou Xing Chun Trade Company, sind die Bedingungen nicht besser. Bob Geldorf, Organisator der Live8-Konzerte, bei denen auch Bänder verkauft werden sollten, reagierte mit einem Ultimatum: Die wohltätigen Organisationen müssten sofort aus den Verträgen mit diesen Unternehmen aussteigen oder eine feste Frist für Verbesserungen setzen.

Neben dem Geschäft mit den Fälschungen sind die Bänder in ihrer inhaltlichen Beliebigkeit in Misskredit gekommen. Vor allem modebewusste Menschen möchten sie in allen Farben besitzen. Heute tragen sie den „Schuldenerlass“ am Arm und morgen den „Kampf gegen Brustkrebs.“ Auch widersprechen sich die Farben der Bänder mitunter. So gibt es blaue Bänder als Zeichen der Unterstützung des amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Aber auch das Anti-Bush-Band ist blau. Die politische Botschaft der Bänder ist ebenso diffus geworden wie das Ansinnen ihrer Träger.

In Deutschland sind die Bändchen zwar noch nicht als Mainstream-Artikel etabliert, aber schon jetzt überspringen sie häufig ihre ideologische Bedeutung und erobern als reine Modeartikel die Handgelenke. Die „Weltweite Aktion gegen Armut“ ruft zwar auf, am 2. Juli passend zum Live8-Konzert weiße Bänder am Handgelenk zu tragen, aber der postideelle Status des Bandes ist nicht mehr umkehrbar: Bei einem abgeschlossenen Abonnement des Neon-Magazins wird es als Prämie mitgeliefert. Sie sind blau und werden von dem Wort „Neon“ im Blockschriftprägung geziert.

Das Band ist im Zuge seines Erfolgs zu einem kommerziellen Werbeträger mutiert. Ein Ausverkauf jener Idee, die das Band so populär machte.