Sehr deutscher Arbeiterführer

Ein Sieg von CDU und FDP im Bund und die dann zu erwartenden Streichungen gerade im Sozialbereich könnten Rüttgers die Wiederwahl kosten

Jürgen Rüttgers zieht gern die nationalistische Karte, wenn’s eng wird. Schon im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf des Jahres 2000 polemisierte der Christdemokrat mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ gegen die Green-Card-Aktion, mit der die frisch gewählte rot-grüne Bundesregierung Computerspezialisten nach Deutschland locken wollte.

Der Ex-„Zukunftsminister“ schien da seine Zukunft schon hinter sich zu haben: Zwar hatte der promovierte Jurist den Vorsitz seines Landesverbands mit einer Kampfabstimmung gewonnen, doch Helmut Kohls Spendenaffäre beutelte die CDU. Eine an rechtsextreme Slogans erinnernde Kampagne nach dem Motto „Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ – mehr fiel dem heutigen NRW-Ministerpräsidenten und seinen Spindoctors schon damals nicht ein, um aus dem Stimmungstief herauszukommen.

In die Enge getrieben sieht sich der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU auch heute – schließlich haben seine Christdemokraten bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen so wichtige Rathäuser wie das in Köln oder Essen verloren, konnte sich die SPD als Großstadtpartei behaupten. Direkt nach der Wahl versuchte der Rheinländer aus dem Städtchen Pulheim deshalb, seine Landtagsfraktion wachzurütteln: Sie müssten endlich aufstehen, hinausgehen, Wahlkampf machen – das habe der Vater von drei Söhnen von seinen Abgeordneten gefordert, ist im Düsseldorfer Landtag zu hören. Denn vor Rüttgers steht nicht nur die Bundestagswahl: Der Katholik, der das bevölkerungsreichste Bundesland erst seit 2005 regiert, muss sich im kommenden Mai erstmals zur Wiederwahl stellen.

Doch die sieht der Vorsitzende des Familienbunds der Katholiken im Erzbistum Köln offenbar schon heute gefährdet: Anders ist sein Ausfall gegen „Rumänen, die kommen und gehen, wann sie wollen, und nicht wissen, was sie tun“, nicht zu erklären. Ein Sieg von CDU und FDP im Bund und die dann zu erwartenden Streichungen gerade im Sozialbereich könnten ihn die Wiederwahl kosten, fürchtet der Pfeifenraucher, der sich nach seinem Sieg über den heutigen SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück als „Vorsitzender der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen“ feierte. ANDREAS WYPUTTA

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