: „Es war so hart“
Beim Ironman auf Hawaii gewinnt ein Novize, der Norweger Gustav Iden, und der deutsche Altmeister Sebastian Kienle auch irgendwie
Sebastian Kienle breitete die Arme aus, ging mit der deutschen Fahne auf die wohl verdiente Ehrenrunde und genoss die Momente in den Armen seiner Frau und des kleinen Sohnes. Überwältigt von den Gefühlen, wich das zufriedene Lächeln über seine persönliche Bestzeit im Mekka des Triathlons den Tränen der Ergriffenheit. „Emotionsexplosion. Viel mehr kann man dazu nicht sagen“, sagte Kienle im Ziel von Kailua-Kona. „Ich habe ihm viel zu verdanken, insofern freue ich mich sehr für ihn“, betonte Kumpel Jan Frodeno, der verletzungsbedingt nicht antreten konnte, im ZDF.
Kienle fehlte zwar der traditionelle Kopfschmuck wie bei seinem Ironman-WM-Titel 2014, der 38-Jährige durfte sich aber als Weltmeister der Herzen fühlen. Bester Deutscher auf Platz sechs in einem mit Weltklasse-Athleten gespickten Feld der 50 Profis. Patrick Lange, der Champion der Jahre 2017 und 2018, wurde Zehnter, gebremst durch eine Fünf-Minuten-Strafe auf dem Rad. Florian Angert kam als Zwölfter ins Ziel, auch er hatte eine Zeitstrafe bekommen, offensichtlich wegen Windschattenfahrens.
Dass die gelben Penalty-Boxen auch im Männer-Rennen deutsche Medaillenkandidaten trafen, sorgte für viel Diskussionsstoff, nachdem es am Donnerstag bei den Profi-Frauen Laura Philipp erwischt hatte. Ob Lange eine Chance auf den Sieg gehabt hätte, bleibt reine Spekulation. „Ich bin unglaublich stolz auf mich, dass ich das noch durchgezogen habe nach einer für mich fraglichen Zeitstrafe“, betonte Lange.
Im schnellsten Rennen der Hawaii-Geschichte blieb auch Lange noch unter acht Stunden, auf den siegreichen Gustav Iden fehlten dem 36-Jährigen aus Bad Wildungen aber fast 18 Minuten. Der 26-jährige Norweger eroberte die Führung rund sieben Kilometer vor dem Ziel. Seinen hoch favorisierten Landsmann Kristian Blummenfelt, der als Olympiasieger von Tokio. ITU-Weltmeister und Ironman-Champion vom Mai in St. George ebenso wie Iden zu seiner Hawaii-Premiere angereist war, hatte er zuvor nahezu stehen lassen.
Iden beendete nicht nur die deutsche Titelserie auf Hawaii nach den Erfolgen von Kienle (2014), Frodeno (2015, 2016 und 2019) und Lange (2017 und 2018). In 7:40:24 Stunden pulverisierte er vor dem französischen Überraschungszweiten Sam Laidlow und Blummenfelt auch noch den Streckenrekord von Frodeno (7:51:13) vor drei Jahren um mehr als zehn Minuten. „Es war so hart“, meinte Iden. „Auf den letzten zehn Kilometern hatte ich Bedenken, dass mich die Insel killt.“
Iden, Laidlow (23) und Blummenfelt (28) traten alle drei zum ersten Mal auf Hawaii an – ein Podest der Rookies und ein Podest des Generationenwechsels. Im nächsten Jahr will Frodeno dann zum Abschluss seiner Karriere versuchen, die alte Ordnung wiederherzustellen. Kienle wird es sich nur noch anschauen. 2012 trat er auf Hawaii zum ersten Mal an, 2013 wurde er Dritter, im Jahr darauf folgte der Sieg. 2016 musste er sich nur Frodeno geschlagen geben, 2019 kam er noch einmal auf den dritten Rang. „Manchmal muss man seine eigene Leistung auch losgelöst von der Platzierung beurteilen, und da muss ich sagen: Da steht es ganz weit oben“, sagte er zu seinem letzten Hawaii-Rennen. Denn wieder einmal verlief das Jahr nicht reibungslos. Nach der WM im Mai in St. George, die als Nachhol-Rennen der auch 2021 in Hawaii wegen der Coronapandemie abgesagten Weltmeisterschaft stattfand, bremste eine Corona-Infektion Kienle.
Dass nun bei seinem letzten Auftritt auf Hawaii noch mal alles so laufen würde, hatten viele Kienle gewünscht. Dass er nach einem diesmal noch schwächeren Schwimmen mit Platz 46 von den 50 Startern noch mal seine Stärke auf dem Rad über die 180,2 Kilometer zeigen würde, hatten viele erhofft. Und auch beim Marathon zog Kienle durch.„Eine echte Legende unseres Sports“, kommentierte die Vereinigung der Profi-Triathleten via Instagram. „So ein Champion“, schrieb die fünfmalige Ironman-Weltmeisterin Daniela Ryf aus der Schweiz.
Seinen Abschied Ende 2023 hatte Kienle, der sich nicht nur mit seinen Erfolgen, sondern auch als meinungsstarker Sportler einen Namen machte, bereits im November 2021 angekündigt. 2023 soll sein Abschiedsjahr werden mit Rennen, die er besonders mag oder unbedingt noch machen will. Welche, ist noch nicht bekannt. (dpa)
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