Protest zum Mitschnippen

Zu praktisch jedem bekannteren Song der Popgeschichte gibt es sie: Coverversionen – in allen erdenklichen stilistischen Varianten und höchst unterschiedlichen Graden der Vervollkommnung. Was die Coverversion in der Regel zum Ausdruck bringt, ist die Ablösbarkeit der Songidee von ihrem Autor, der klingende Beweis, dass sich Musik und Worte selbst behaupten können. Je besser der Song, desto größer die Chancen, dass er auch die abwegigsten Bearbeitungen einigermaßen unbeschadet übersteht.

Ein Spezialfall unter den Coverversionen ist die weichgespülte Fassung eines Protestsongs. Man nehme einen Klassiker wie „Revolution“ von den Beatles: Hier hat die Band klugerweise vorgesorgt und ihren irgendwie agitatorischen, wüst krachenden Song alternativ in einer zurückgelehnten Bluesversion aufgenommen. Warum energisch gegen etwas anrocken, wo Widerstand doch genauso gut zu haben ist, wenn man entspannt abhängt?

Die Sache hat Schule gemacht, wobei die sanfteren Varianten der Protestlieder meistens nicht von den Urhebern selbst stammen. Barry McGuires „Eve of Destruction“ etwa, im Original eine rau geschmetterte Antikriegshymne, wurde unter den Händen des jamaikanischen Sängers Luciano zum gemütlichen Reggae-Schunkler.

Weniger eindeutig politisch, dafür klar in der Geste war der Punk-Evergreen „Too Drunk to Fuck“ der Dead Kennedys. Und so brachial geschrabbelt der Song ursprünglich gespielt wurde, so gediegen schaukelt er bei den Franzosen von Nouvelle Vague, die praktisch ihre gesamte musikalische Existenz mit der süßlichen Unterspülung von Punk und New Wave bestreiten, als Bossa vor sich hin.

Da war es bloß eine Frage der Zeit, bis der unverwüstliche Anti-Rassismus-Hit „Killing in the Name“ von Rage Against the Machine durch den Schongang gezwungen wurde. Die Isländer von FM Belfast haben es geschafft, aus den aggressiv-empörten Rap-Parolen über handgesägten Breitwand-Gitarrenriffs einen solide verschleppten Synthiepop-Song zu zimmern, komplett mit bekifftem Schlafzimmergesang.

Die Botschaft? Vielleicht möchten die Musiker ja darauf hinweisen, dass selbst die entschiedenste und eingängigste Kritik, wenn sie in immer gleichem Tonfall vorgetragen wird, irgendwann an Überzeugungskraft verlieren kann, weil sie durch Gewöhnung überhört wird. Doch womöglich fanden die Musiker aus Reykjavík den Song einfach nur besonders cool.

TIM CASPAR BOEHME

■ FM Belfast: Astra, Revaler Str. 99, Montag, 21 Uhr. VVK: 18 €