Gewissen geht vor

VON CHRISTIAN RATH

Es ging nicht ums Völkerrecht, sondern um das Gewissen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sprach den deutschen Major Florian Pfaff vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung frei, obwohl er Befehle im Zusammenhang mit der US-Militärintervention im Irak verweigert hatte. Die Leipziger Richter sahen hierin eine Gewissensentscheidung, die die Bundeswehr respektieren muss. Elegant vermied das Gericht so eine Antwort auf die Frage, ob der Irakkrieg der USA zulässig war.

Major Florian Pfaff wollte sich am Angriffskrieg der USA gegen den Irak in keinster Weise beteiligen, weil er ihn für unzulässig hielt. Auch jede deutsche Unterstützung der US-Intervention lehnte er aus diesem Grund ab. Er selbst arbeitete im Streitkräfteamt der Bundeswehr und entwickelte dort Software, die die logistischen und adminstrativen Prozesse der Bundeswehr steuern soll.

Als der Irakkrieg im März 2003 begann, meldete sich Pfaff beim Militärdekan und beim Truppenarzt, um mit ihnen über seine Bedenken zu sprechen. Der Truppenarzt veranlasste daraufhin, dass Pfaff sofort auf seinen Geisteszustand untersucht wurde. Nach einer Woche im Bundeswehrkrankenhaus wurde Pfaff bescheinigt, dass mit ihm alles in Ordnung sei. Am nächsten Arbeitstag erschien der Major in Zivilkleidung im Amt, um deutlich zu machen, dass er sich nicht als Kombattant sehe. Später verweigerte er die Weiterarbeit an der Bundeswehr-Software, es sei denn, ihm werde garantiert, dass diese nichts mit dem Irakkrieg zu tun habe.

Das Truppendienstgericht Nord in Münster entschied im Februar 2004, dass Pfaff gegen seine Dienstpflichten zum „treuen Dienen“ und zum Gehorsam verstoßen habe. Als Sanktion wurde er vom Major zum Hauptmann degradiert. Von einer Entlassung aus der Bundeswehr sah das Militärgericht ab, weil Pfaff als „leistungsfähiger und engagierter“ Soldat galt. Pfaffs Argument, er müsse laut Soldatengesetz völkerrechtswidrigen Befehlen nicht folgen, lehnte das Dienstgericht ab. Seine Software-Aufgaben hätten „keinerlei Kausalzusammenhang mit dem Irakkonflikt“.

Gegen diese Entscheidung ging Pfaff in Berufung zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig. Sein Vorgesetzter habe ausdrücklich „nicht ausgeschlossen“, so Pfaff, dass die Arbeit an der Logistiksoftware der Bundeswehr indirekt auch den Irakkrieg der USA unterstütze. Dies ließen auch die Leipziger Richter als Grundlage für eine Gewissensentscheidung gelten.

Der Befehl zur Fortführung seiner Arbeit sei für Pfaff „unverbindlich“ gewesen, so das gestern veröffentlichte Urteil. Der Befehl habe „in der konkreten Lage“ das Grundrecht auf Gewissensfreiheit nicht verdrängt. Auch ein Soldat, der keinen Antrag auf Wehrdienstverweigerung gestellt hat, könne sich im Einzelfall auf die Gewissensfreiheit berufen. Pfaff habe die „Ernsthaftigkeit seiner Gewissensentscheidung glaubhaft“ gemacht. Der Bundeswehr sei die Konfliktlösung durch Versetzung des Majors in andere Bereiche zumutbar gewesen.

Florian Pfaff hatte sich allerdings gar nicht auf sein Gewissen berufen, sondern auf die Rechtslage. Nach seiner Ansicht war der von ihm verweigerte Befehl generell unzulässig. Soweit ging das Bundesverwaltungsgericht nun aber nicht. Das Urteil enthält überhaupt keine juristische Bewertung des Irakkriegs.

Unklar ist, wie ein Urteil bei einer massenhaften Befehlsverweigerung in einem völkerrechtlich umstrittenen Einsatz aussehen würde, ob das Bundesverwaltungsgericht auch dann soldatenfreundlich entscheiden würde. Vermutlich dürfte bei einer Massenverweigerung die „Funktionsfähigkeit der Bundeswehr“ als konkurrierender Verfassungswert gegenüber der Gewissensfreiheit ein stärkeres Gewicht bekommen (Az.: 2 WD 12/04).