Das Nein von der Heimatfront
: KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Was für eine Ironie. Ausgerechnet im Zusammenhang mit einem Krieg, an dem sich Deutschland nicht beteiligt hat, wird nun ein Grundsatzurteil gefällt, das es künftig allen Akteuren erheblich erschwert, sich auf Militärinterventionen auch nur vorzubereiten. Dennoch – oder gerade deshalb – ist das Urteil mutig und überfällig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Befehlsverweigerung eines Majors für rechtens erklärt, der sich an der Entwicklung von Software aus der Sorge heraus nicht beteiligen wollte, dass dieses Programm für den Krieg gegen den Irak genutzt werden könnte. Die Botschaft ist unmissverständlich. Wer einen Paradigmenwechsel wünscht – anders ausgedrückt: wer Sicherheitspolitik nicht ausschließlich auf Verteidigung beschränken will –, wird um eine Verfassungsänderung nicht herumkommen. Es genügt nicht, Bombardements in Akte der Selbstverteidigung umzudefinieren.

Die Rechtslage schien lange eindeutig zu sein. Deutsche Streitkräfte sollten nur zu Verteidigungszwecken aufgestellt werden dürfen. Vorbereitung und Teilnahme an einem Angriffskrieg galten als verfassungswidrig. Um den Widerstand gegen die Wiederbewaffung seinerzeit aufzuweichen, wurde die Doktrin vom Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“ aufgestellt: dem ebenso wie allen anderen demokratische Rechte zustanden, darunter das Recht auf Widerstand gegen jeden, der versucht, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen.

Damit ist es gerade im militärpolitischen Bereich so eine Sache. Nicht nur deshalb, weil sich schwer entscheiden lässt, wer das im jeweiligen Einzelfall versucht. Sondern auch, weil es reine Defensivwaffen nicht gibt. Selbst ein Minenräumprogramm kann offensiven Zielen dienen, wie dem Vormarsch einer Armee. Im Kosovo und in Afghanistan ging es jedoch nicht einmal um solche Spiegelfechtereien. Da wurde einfach angegriffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang mit formalen Argumenten um die Frage gedrückt, ob und wann aggressive Operationen möglich sind. Derlei Ausweichmanöver dürften nicht mehr genügen. Soll Krieg ein Mittel der Politik sein? Auch Deutschland wird sich entscheiden müssen.