„Occupy ist ein Haufen verfickter Hippies“

SOUND Der britische Sänger Billy Bragg ist die Stimme des linken Protests, seit Jahrzehnten. Ein Gespräch über seinen Rausschmiss aus der DDR, den alten Marx und die Jugend von heute

■ Der Musiker: Stephen William Bragg, Jahrgang 1957, gilt als bedeutendster Protestsänger seiner Generation. 1977 gründete der in Essex geborene Bragg seine erste Punkband, Riff Raff, verließ diese aber frustriert im Jahr 1981 und flüchtete ins Militär. Dort hielt er es nur drei Monate aus und kehrte zurück zur Musik, orientierte sich fortan aber an den amerikanischen Politbarden Woody Guthrie und Pete Seeger. Seitdem steht er meist allein mit seiner Gitarre auf der Bühne, erzählt Witze, agitiert und unterhält sein Publikum. 1986 und 1989 nahm Bragg auf Einladung der DDR-Regierung am Festival des politischen Liedes teil, an einer der größten Musikveranstaltungen der DDR unter Regie der FDJ.

■ Die Erfolge: Sein größter kommerzieller Erfolg ist immer noch der Song „New England“, der bereits von seinem Debütalbum „Life’s A Riot With Spy vs. Spy“ aus dem Jahre 1983 stammt. Ein neues Publikum erschloss sich Bragg 1998, als er zusammen mit der Americana-Band Wilco auf dem Album „Mermaid Avenue“ alte Lieder von Woody Guthrie, zu denen die Musik verloren gegangen war, neu vertonte.

■ Die Zukunft: Im kommenden Jahr, das hat Bragg bei seinem letzten Deutschlandaufenthalt versprochen, wird endlich wieder ein neues Album mit Eigenkompositionen erscheinen.

INTERVIEW THOMAS WINKLER

Draußen weht ein kalter Wind, Männer in Morgenmänteln und mit Bierflaschen in der Hand ziehen über den Alexanderplatz. Drinnen im Hotelrestaurant sitzt Billy Bragg und lässt sich das Konzept des Vatertags erklären. „Solch einen Feiertag haben wir in England auch“, sagt er, „wir nennen ihn Samstagabend.“ Dann lacht er. Billy Bragg lacht gern. Nur wenn es um Politik geht, um die Banken und eine gerechte Gesellschaft, dann vergeht ihm das Lachen.

sonntaz: Herr Bragg, ich habe gerade festgestellt, Sie sind hier im Hotel unter Ihrem echten Namen eingecheckt.

Billy Bragg: Ja, ich heiße ja auch so.

Benutzen Sie niemals lustige Pseudonyme wie andere Rockstars?

Dauernd. In Deutschland checke ich natürlich als David Hasselhoff ein.

Da wird man gleich ganz anders behandelt.

Aber ja. Quatsch. Warum sollte ich ein Pseudonym benutzen? Ich bin bloß Billy Bragg. Auf mich warten vor dem Hotel keine hysterischen Teenies. Tatsächlich wartet niemand auf mich vor dem Hotel.

Erinnern Sie sich an die Zeit, als dieses Hotel noch nicht zu einer internationalen Kette gehörte, sondern Hotel Stadt Berlin hieß?

Ja, das waren – wie wir alten Knacker sagen – die guten alten Zeiten. Wenn man von der DDR zum Festival des politisches Liedes eingeladen wurde, wurde man entweder hier einquartiert oder im Hotel Unter den Linden. Wenn man im Hotel Stadt Berlin war, hatte man Glück. Unter den Linden ging es ein bisschen rauer zu. Das waren eigentlich Armeebaracken mit einer Bar, die Zimmer waren scheiße.

Dafür war es dort wahrscheinlich lustiger.

Da war es definitiv lustiger. Und die Lobby war noch nachts um zwei immer voll mit Touristen aus der Sowjetunion, die schwer bepackt waren mit riesigen Taschen, mit Fernsehern und Teppichen und auf ihren Heimflug warteten. Ostberlin war das Paris des Ostblocks. Aber das Festival des Politischen Liedes war nicht nur deswegen wahnsinnig interessant für jemanden wie mich: In England oder den USA hätte ich damals keine Musiker aus Russland oder Vietnam kennenlernen können.

Wann haben Sie das erste Mal beim Festival gespielt?

Das war 1986. Nur kurz zuvor hatte Gorbatschow bei einem Parteitag zum ersten Mal das Wort „Perestroika“ in den Mund genommen. Deshalb wollte ich unbedingt die russischen Kollegen treffen. Aber das war gar nicht so einfach, es war ja alles sehr formell. Aber wir haben es mit Hilfe meines Übersetzers geschafft, und deshalb konnte ich relativ schnell schon ein Gespür dafür entwickeln, dass womöglich ein großer Wandel bevorstand. Denn das hat man sofort gemerkt, wenn man mit den Russen sprach, so aufgeregt waren die. Dann war ich 1987 noch mal beim Festival und auch 1989 – aber das war schrecklich.

Warum?

Das war makaber. 1989 war die ganze Welt dabei, sich völlig zu verändern, nur in der DDR waren die Daumenschrauben sogar noch mal angezogen worden. Alle Freunde, die ich hier gefunden hatte, waren deprimiert, versuchten das Land zu verlassen. Ich hatte das Gefühl, das konnte nur schlecht ausgehen. Und schließlich haben sie mich auch noch aus dem Land geworfen.

Wie ist das passiert?

Weil ich mein Maul mal wieder nicht halten konnte. Das Tolle bei den Auftritten in der DDR war, dass man 45 Minuten spielte und dann eine ganze Stunde lang Fragen aus dem Publikum beantwortete. Das war großartig, man hat so viel über das Land erfahren bei diesem Frage-und-Antwort-Spiel. Sonst konnte man ja nicht einfach mit den Leuten Kontakt aufnehmen.

Die meisten Fragen waren doch inszeniert, oder?

Man hat sofort gemerkt, wenn das in die Richtung ging. Wenn sich das Parteimitglied meldete und eine Frage stellte, die man nur mit einem Loblied auf Erich Honecker beantworten konnte, hat der Rest des Publikums laut gestöhnt. Aber bei einem dieser Treffen im Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft fragte mich jemand, was ich von Glasnost und Perestroika halten würde. Ich antwortete, dass ich das gut fände, aber das Problem der DDR sei, dass Glasnost und Perestroika nicht zusammen mit der Mauer funktionieren. Das hat ihnen nicht gefallen. Es ging dann noch ein bisschen hin und her, aber schlussendlich haben sie mich in ein Flugzeug gesetzt und mir gesagt: Sie werden niemals mehr in diesem Land auftreten. Das war im Februar 1989, und sie haben ja auch recht behalten – allerdings aus anderen Gründen, als sie dachten.

Wenn Sie nun wieder hier sind – wie gefallen Ihnen die Veränderungen?

Wäre ich Ostberliner, würde ich sicher sagen: Es hat sich zum Besseren verändert. Für einen Westler wie mich sieht das etwas anders aus. Nicht dass ich die Berliner Mauer vermissen würde, ich bin wirklich froh, dass das Ding weg ist. Aber Ostberlin hatte einen eigenen Charakter. Jetzt sieht es hier genauso aus wie im Rest der Welt.

Es gab durchaus Linke, die den Fall der Mauer bedauert haben, weil ihnen die gesellschaftliche Alternative abhandenkam.

Diese Leute waren niemals in Hoyerswerda. Diese Leute haben niemals eine Nacht in Cottbus verbracht.

Sie etwa?

Ja, 1986 gab es nach dem Festival noch eine Tour durch die DDR. Wir spielten in Leipzig, Dresden, Rostock, Neubrandenburg, Hoyerswerda. Darüber bin ich heute noch froh, dass ich als Linker die ostdeutsche Realität sehen durfte. Diese Tour hat mir die Augen geöffnet.

Inwiefern?

Ich habe begriffen, dass eine Gesellschaft, die sich auf eine einzige Ideologie stützt, nicht funktionieren kann. Es muss etwas Tieferes, Grundsätzlicheres geben. Ein Dogma reicht nicht, ein paar Regeln, die ein Komitee festgelegt hat, sind nicht genug.

Was macht man da als Sozialist, der Sie ja sind?

Bin ich Sozialist? Sozialismus ist in einer postideologischen Welt nicht mehr ausreichend exakt zu definieren. Niemand benutzt mehr die Sprache von Marx, diese Parameter sind verloren gegangen. Aber die Probleme, die Marx angesprochen hat, die gibt es immer noch. Also wenn ich sage: Ich möchte eine mitfühlende Gesellschaft, die sich um ihre Mitglieder kümmert, in der es Gesundheitsvorsorge und Bildung umsonst gibt, in der die Mieten bezahlbar und die Renten hoch genug sind, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, ist das dann Sozialismus? Mir ist echt scheißegal, wie wir das nennen wollen, aber das ist die Gesellschaftsform, in der ich leben möchte.

Ganz scheinen Sie die alte Ideologie aber noch nicht aufgegeben zu haben. Als Sie im November beim Occupy-Camp in London gesungen haben, haben Sie auch die Internationale gespielt.

Die Organisatoren haben mich darum gebeten.

Wirklich?

Es gibt sicher ein paar Lieder, die kann man immer mal wieder singen, um den Menschen vor Augen zu führen, dass sie nicht aus dem Nichts kommen, dass sie in einer Tradition stehen. Die Internationale oder die Lieder aus dem Spanischen Bürgerkrieg erinnern daran, dass Menschen immer wieder für gleiche Rechte kämpfen. Wenn man gegen Rassismus oder Faschismus kämpft, ist man nun mal nicht der Erste. Aber es hat mich schon sehr gewundert, dass diese jungen Leute an solchen Reminiszenzen interessiert sein könnten. Schließlich stößt man als junger Mensch, wenn man heutzutage versucht, sich politisch zu engagieren, unweigerlich auf alte Spießer wie mich, die einem erzählen wollen: So geht das nicht! Trotzki hat das aber anders gemacht! Ich sage: Scheiß drauf! Die Linke muss diesen Ballast abwerfen. Die junge Generation darf sich davon nicht irritieren lassen. Wir brauchen linke Ideen und Konzepte, die nicht vom Stalinismus diskreditiert sind. Ideen, die aus dem Schatten des Totalitarismus treten. Die Alten müssen akzeptieren, dass die alten Tanzschritte nicht mehr aktuell sind.

Welche Rolle kommt den Alten dann zu?

Unsere Aufgabe muss es sein, die jungen Leute zu bestärken in ihrem Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Ihnen noch mal mit Marx zu kommen, das macht keinen Sinn – die werden in dieser postideologischen Gesellschaft ihre eigenen Lösungen finden. Momentan artikuliert sich vor allem ein Unbehagen, ein Zorn, Wut. Das ist der Anfang. Die Herausforderung wird sein, die Frage zu beantworten, wodurch das Alte ersetzt werden soll. Wie soll die neue, gerechtere Gesellschaft aussehen?

Und: Wie soll sie aussehen?

Ich bin nicht dafür zuständig, Occupy zu sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben. Mich interessiert das sehr, aber mein Job ist es, das zu beobachten und zu reflektieren.

Ist Occupy die Zukunft des Sozialismus?

Der Sozialismus hat irgendwann seine Fantasie verloren. Nun hat auch der Kapitalismus seine Fantasie verloren. Occupy ist einer von vielen Versuchen, neue Antworten auf eine sich verändernde Welt zu finden.

Sie glauben also nicht, dass sich der Kapitalismus noch einmal wird erholen können? Dass er reformierbar ist?

Doch, ich halte ihn für reformierbar. Und ich glaube, die meisten Menschen würden als Lösung für unsere Probleme einen reformierten Kapitalismus bevorzugen. Ich glaube aber auch, dass der Kapitalismus nicht dazu in der Lage ist, sich selbst zu erneuern. Barclay’s, eine der größten Banken in meiner Heimat, die mit staatlicher Unterstützung gerettet wurden, hat eben ihren Aktionären, also ihren Eigentümern 720 Millionen Pfund an Dividenden ausgezahlt. Im selben Zeitraum aber haben sich die Barclay’s-Banker selber 2,1 Milliarden Pfund an Boni ausgezahlt. Was für ein Kapitalismus soll das denn sein? Nach Adam Smith geht eine Firma pleite, wenn sie etwas Entscheidendes falsch macht. Dieser Mechanismus ist längst ausgehebelt. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, sich selbst zu regulieren – nicht mal nach seinen eigenen Gesetzen.

Und die Lösung wäre?

Der Kapitalismus muss sich grundsätzlich so verändern, dass das Allgemeinwohl im Mittelpunkt steht, nicht das Wohl der Unternehmen. Die Sozialisten in Ländern wie der DDR haben geglaubt, sie hätten alle Antworten. Sie haben sich genauso als Herren des Universums gefühlt wie die Banker heute. Und wer hat den Sozialismus beendet?

Wer?

Die Bevölkerung. Wir erleben gerade in Griechenland oder in Frankreich, selbst in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, dass die Bevölkerung sich wehrt, dass die Menschen Nein sagen. Ich denke, demnächst werden die berühmten, im Moment noch alles beherrschenden Märkte auf dieses schwerfällige Objekt, das Volk, treffen. Und ich würde mein Geld auf das Volk setzen. Warum? Weil Menschen ohne Märkte leben können, aber die Märkte die Menschen brauchen.

Also eine Revolution?

Nein, so würde ich das nicht nennen. Eher Neuordnung. Ich denke, da bin ich optimistisch, dass der Kapitalismus so reguliert werden kann, dass er den Menschen dient und nicht den Märkten, dass das Geld, das er generiert, in den Taschen der Arbeiter landet.

Ist das noch Kapitalismus?

Stimmt, das ist wahrscheinlich Sozialismus, aber wenigstens nicht die Sorte, die in der DDR praktiziert wurde. Um eine gerechte, gleiche Gesellschaft zu erreichen, darf man sich nicht nur um Menschenrechte kümmern, sondern auch um die Wirtschaft. Diese Wirtschaft muss aber von der Idee geleitet werden, dass die Schere zwischen Arm und Reich kleiner werden muss, nicht größer. Das hat in Großbritannien bis 1980 gut funktioniert, das war auch gut für unsere Wirtschaft. Ich glaube, im 21. Jahrhundert geht es darum, die Mächtigen wieder zur Verantwortung zu ziehen für ihr Handeln. Nicht nur die mit politischer Macht, auch die mit ökonomischer Macht. Wie zieht man die gesichtslosen Märkte zur Rechenschaft, wie sorgt man dafür, dass sie in Zukunft ihre Verantwortung übernehmen? Das ist die Frage, die Occupy und andere Bewegungen beantworten müssen. Aber die alten Ideologien helfen einem da nicht wirklich weiter.

Sie waren aber nicht immer ein so lockerer Postideologe.

In den Achtzigern war ich ein beinharter Ideologe. Aber dann sind ein paar Sachen passiert: Die Mauer fiel, die Sowjetunion verstarb, Margaret Thatcher wurde rausgeworfen, und ich wurde der Papa von jemandem. Jedes einzelne dieser Ereignisse hätte mich vielleicht dazu gezwungen, meine Ansichten zu ändern, aber alle vier zusammen in nur drei Jahren: Da kommt man schon mal ins Nachdenken. Seitdem weiß ich auch: Es ist nicht meine Aufgabe, mit der roten Fahne vorneweg zu rennen. Meine Aufgabe ist es, mir das anzusehen und darüber nachzudenken.

Diese neuen Bewegungen scheinen keinen Soundtrack zu haben – hat Musik ausgedient als Träger von Protest?

Als ich in den späten Siebzigern wütend war, gab es eigentlich nur ein einziges Medium, mit dem ich meine Wut ausdrücken konnte: Ich nahm eine Gitarre in die Hand und schrieb Songs. Eine andere Plattform stand mir nicht zu Verfügung. Wenn mich jetzt etwas ankotzt, kann ich einen Blog drüber schreiben, ich kann einen Film drehen und ihn bei Facebook hochladen, und ich kann twittern.

Wenn Sie noch mal 16 Jahre alt wären, dann würde aus Ihnen ein Blogger werden?

Nicht unbedingt. Eine Gitarre in die Hand zu nehmen wäre nicht meine erste Idee und meine einzige Möglichkeit gewesen, mich auszudrücken. Aber kann man mit Bloggen irgendwas erreichen? Kann man mit Bloggen auf Tour gehen? Sieht man als Blogger die Welt und hat man Sex mit interessanten Menschen?

Hm.

Das Bloggen ist doch eine eher einsame Tätigkeit. Da rauszugehen jede Nacht und ein echtes Publikum zu unterhalten, das ist weiterhin eine unschlagbare Erfahrung. Also wenn es darum geht, ein erfülltes Leben zu führen, und dabei auch noch seinen Zorn produktiv zu verarbeiten, schlägt das Musikmachen das Bloggen immer noch um Längen. Allerdings muss ich zugeben: Die Musik nimmt nicht mehr die zentrale Rolle in der Erfahrungswelt junger Menschen ein, die sie mal hatte. In der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts verständigte sich die jungen Generation vor allem über die Musik. Musik transportierte Stimmungen und Botschaften. Das tut sie noch, aber andere Medien machen das nun auch – schneller und effektiver.

Geben Sie zu: Tief in Ihrem Herzen glauben Sie trotzdem, dass der Sänger und seine Gitarre immer noch mehr Macht haben als der Hacker und sein Laptop.

Der Hacker hat wahrscheinlich mehr Macht, aber vor allem ist sie destruktiv. Die Macht des Sängers dagegen ist eine weiche, konstruktivere Macht. Haben Sie das mit dem norwegischen Massenmörder Anders Breivik mitbekommen?

Was meinen Sie?

Als Breivik sagte, er würde ein gewisses Kinderlied nicht ertragen können, haben sich Zehntausende auf dem Platz vor dem Gericht versammelt, um dieses Lied zu singen. Nicht nur, um Breivik zu zeigen, dass sie mit seinen Ideen nichts zu tun haben wollen, sondern vor allem, um sich selbst zu stärken und den Opfern, die an dem Tag aussagen sollten, ihre Verbundenheit auszudrücken. Was für ein Moment. Das kann kein Blog. Das kann kein Zeitungsartikel. Aber Musik kann das. Musik hat Macht. Die Frage ist, ob diese Macht genutzt wird.

Warum wird diese Macht nicht mehr genutzt?

Wird sie ja, aber nicht mehr in dem Maße wie von meiner Generation. Eine neue Generation ist nachgewachsen, und die entwickelt ihre eigenen Strategien und Methoden – und das ist auch ganz richtig so. Tatsächlich gibt es ja immer noch politische Musik, aber die wird von der größtenteils weißen Musikpresse gern übersehen, denn es ist meist schwarze Musik, HipHop oder Soul. Ich habe mit einigen dieser Leute letzten Winter bei der Leftfield-Tour gespielt, da gibt es eine Menge hartes Zeug, aber das wird eben nicht mehr von weißen Jungs mit akustischen Gitarren gemacht.

Die Occupy-Bewegung hat bereits ein eigenes Plattenlabel, Occupation Records, in das Sie involviert sind. Wie läuft das?

Gute Frage. Die haben mich um einen Track gebeten, und ich habe ihnen einen geschickt. Mittlerweile sollen die ersten vier Songs im Netz zu haben sein. Aber es läuft ein wenig zäh. Wollen Sie wissen, was das Problem mit Occupy ist?

Natürlich.

Die Leute hören das nicht gern und ich werde sicher Ärger deswegen bekommen, aber: Occupy ist ein Haufen verfickter Hippies.

Und das von Ihnen als altem Punk.

Ja, die Hippies waren die Typen, die alles verbockt haben.

Thomas Winkler, 47, sonntaz-Autor, liebt Braggs Hit „New England“ („I don’t want to change the world“), sehnt sich aber nach einem neuen Deutschland („I’m not looking for a new England“) und hat sein Mädchen schon gefunden („I’m just looking for another girl“)