Putin auf Westfeldzug

RUSSLAND Minsk, Berlin, Paris: so lauten die Stationen von Putins erster Auslandsreise seit seiner Wahl. Sie verknüpft zunehmende geografische und politische Distanz

Putin kommt nicht selbstbewusst daher wie früher. Er fühlt sich nicht mehr wohl

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Die ersten Antrittsbesuche des neuen russischen Präsidenten führen ihn schnurstracks in den Westen, von Moskau über Minsk nach Berlin und schließlich nach Paris. Geografisch liegt Minsk westlich von Moskau, herrschaftstechnisch gehört es eher zur östlichen Hemisphäre, wo sich Wladimir Putin besser aufgehoben fühlt. Demonstrativ unterstrich der Kremlchef in Weißrussland die guten Beziehungen zu Diktator Alexander Lukaschenko. Unter Putins Vorgänger Medwedjew hatte die russisch-weißrussische Atmosphäre etwas gelitten; der neue Kremlchef machte die Sache mit einem Milliardenkredit wieder gut, bevor er mit Verspätung zum ohnehin sehr knapp bemessenen Treffen mit der Bundeskanzlerin in Berlin aufbrach.

Früher wäre das Wladimir Putin nicht passiert. Damals nahm man sich in Deutschland Zeit und genoss seine Auftritte, ob vor dem Bundestag oder bei den Schröders daheim. Jetzt kam er nur für wenige Stunden nach Berlin, damit dann auf einer eilig heruntergespulten Pressekonferenz eine verkniffene Angela Merkel neben ihm von „Unterschieden im Weg“ zum Frieden in Syrien sprach und davon, „dass die demokratische Vielfalt in Russland sich auch weiterentwickeln kann.“ Dann sollte Putin noch Ex-Stasi-Behörden-Chef Joachim Gauck sprechen, seinen neuen Amtskollegen.

Nicht nur die Zeiten haben sich geändert. Auch Putin kommt nicht mehr selbstbewusst daher wie früher. Er kommt als jemand, der sich mit aller Kraft an die Macht klammert und dessen Legitimität nach zwei unsauberen Wahlen gelitten hat. In Usbekistan oder in China, wo er nächste Woche zwei volle Tage weilen wird, dürfte ihm das niemand aufs Brot streichen. In Berlin und Paris sagt ihm das auch niemand, aber zu spüren bekommt er es. Putin fühlt sich nicht mehr wohl.

In Berlin wollte er über Investitionen und Modernisierungspartnerschaft sprechen. Stattdessen lag der Schwerpunkt auf dem Syrienkonflikt, den Putin am liebsten umschifft hätte. „Russland liefert keine Waffen, die in einem Bürgerkrieg zum Einsatz kommen könnten“, behauptete Putin, entgegen dem Augenschein (siehe Text unten). Konkreten Fragen wich er aus.

Russland geht es bei der Angst vor einem Sturz Assads nicht um wirtschaftliche Einbußen. Es verteidigt die alte Weltordnung, so wie der Kreml sie seit dem Zweiten Weltkrieg versteht – eine Weltordnung, in der an Moskau kein Weg vorbeiführt. Dafür verbündet er sich auch schon mal mit zweifelhaften Regimen. Je schwächer sich der Kremlchef zu Hause fühlt, desto aggressiver fällt die Selbstbehauptung auf der internationalen Bühne aus. Aber dafür muss Putin, bisher so auf den Respekt des Westens fixiert, eine Distanz zeigen, die ihn anfälliger macht.